Kultur

Fingerspitzengefühl ist gefragt: Auf den Pergamentseiten ist Spannung, da muss man sich Zeit lassen beim Umblättern. (Foto: Karin Dütsch)

30.11.2012

Atem anhalten!

In der Ausstellung "Pracht auf Pergament" werden alte Handschriften umgeblättert

„Sie dürfen ruhig laut sprechen“, sagt jemand – aber selbst das Raunen verebbt, jeder hält den Atem an. Nur das Surren der Hydraulik begleitet das Schauspiel, das frühmorgens in der Hypo Kunsthalle seinen Lauf nimmt: Was, wenn die Saugnäpfe ihren Dienst versagen, der schwere Vitrinendeckel auf das goldschimmernde Evangeliar herabstürzt? Diesem ersten Akt folgen weitere Momente, die die kleine Gruppe von Restauratoren und Kuratoren der Ausstellung Pracht auf Pergament nicht minder ins Schwitzen bringt.
Helmut F. Binder spricht man lieber nicht an: Seine Augen heften sich auf das wertvolle Exponat, suchen die Stelle, wo er das Pergament mit behandschuhten Händen am besten fassen kann – nein, eigentlich ist es nur ein leichtes Antippen mit den Fingerkuppen. Seite für Seite blättert er um – ein viel zu profanes Wort für dieses Tun, das fast an ein Zelebrieren erinnert. Zwei helfende Hände kommen hinzu: die Seiten müssen mit kleinen Kunststoffklammern fixiert werden. Alles passt – der Vitrinendeckel gleitet wieder sanft über das Evangeliar.
Es ist das letzte von fünf der 75 Exponate, die zur Ausstellungshalbzeit umgeblättert wurden – nicht aus konservatorischen Gründen, sondern um den Besuchern Neues zu bieten, wie Kuratorin Beatrice Hernad von der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) sagt.
Aufatmen, Scherze – und jetzt ist auch Helmut F. Binder zum Sprechen aufgelegt. Der Experte des Instituts für Buch- und Handschriftenrestaurierung an der BSB erklärt zum Beispiel, dass beim Seitenwenden vor allem die Bindung eine Rolle spielt, dass sich die Seiten beim kleinen Gebetbuch Ottos III. durch die starre Verleimung des Rückengewebes auf dem Buchblock viel schwieriger umlegen lassen als im großen Evangeliar Ottos III., und dass dieses Prachtstück ihm aber am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat, weil es eine neue Buchwiege brauchte: Es wurden gut 100 Seiten weitergeblättert – die Schenkelproportionen der Wiege stimmen nicht mehr, auch die Aussparungen für erhabene Edelsteine des Prachteinbandes sind nicht mehr an der richtigen Stelle. Eine Neuanfertigung musste her: Was, wenn bei der nun nicht alles richtig „gesessen hätte“? Das hätte ihn, gesteht ein entspannt lächelnder Helmut F. Binder, dann doch schwer in seinem Pflichtbewusstsein getroffen. (Karin Dütsch) Abbildungen (von oben): Mit hydraulischer Hebevorrichtung wird die Vitrine geöffnet, die Helfer legen aber wie zur Sicherheit selbst Hand an. (Foto: Dütsch) Nur behandschuhte Hände tasten sich vorsichtig Seite für Seite zum Motiv vor, das nun aufgeschlagen die Besucher von der Pracht der des Evangeliars aus Niederaltaich überzeugen soll. (Foto: Schulz) Auch das gehört dazu: Mit Tuch und Wedel wird der Spiegelboden gesäubert - kein Staubkörnchen soll zurückbleiben. (Foto: Dütsch)

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