Kultur

Marc Chagalls "Bonjour sur Paris" von 1952 (Farblithographie auf Velin, hier ein Ausschnitt) kommt unter den Hammer: Der Schätzpreis beträgt 6000 bis 8000 Euro. (Foto: Buchheim Museum)

09.10.2015

Bei den Geboten soll es richtig knallen

Grafiken der Buchheim-Sammlung unterm Hammer: Katrin Stoll, die Chefin des Auktionshauses Neumeister, hat den Bestand inventarisiert und ausgesucht, was versteigert wird

Samstag, der 28. November: ein Termin für Schnäppchen-Jäger? Katrin Stoll hat es in der Hand: Denn an diesem Tag versteigert sie 200 Positionen expressionistischer Druckgrafik aus dem Privatnachlass von Diethild und Lothar-Günter Buchheim. Passenderweise findet die Versteigerung im Museum der Phantasie in Bernried am Starnberger See statt und nicht im Münchner Auktionshaus Neumeister, dessen Chefin Katrin Stoll seit 2008 ist.
Das, was unter den Hammer kommt, ist derzeit parallel zur Ausstellung Marché sentimental im Buchheim-Museum vorab zu besichtigen.
Dass diese Versteigerung ein „Ausverkauf“ wird – nein, das muss niemand befürchten: Der Stiftungsrat hat ordnungsgemäß zugestimmt, der Museumsleiter hat Vorschläge gemacht, ein Exemplar jeder Druckgrafik verbleibt sowieso im Museum. Aber mit dem Erlös, der – so Katrin Stoll – wohl einige hunderttausend Euro ausmachen wird, will das Museum mit Neuerwerbungen seine Sammlung ergänzen und verstärken, das Profil schärfen.

Herausragende Mappen

Dass dieses ganze Konvolut versteigert wird, ist sicher auch im Sinne des 2007 verstorbenen Buchheim. Er hat, erzählt Karin Stoll, zu Lebzeiten Versteigerungen durch sein „originelles Auftreten“ immer bereichert. Sie selbst „mag es gern, wenn eine Auktion nicht so zurückhaltend ist und stattdessen viel Interaktion stattfindet.“
Katrin Stoll wird Ende November nicht nur den Auktionshammer schwingen – sie hat zusammen mit einem Expertenteam im Auftrag des Stiftungsvorsitzenden auch die gesamte Buchheim-Sammlung gesichtet und geschätzt: „Wir haben ein Vielfaches von dem inventarisieren können, als wir erwartet hatten.“ Darunter war auch Kurioses, Unbedeutendes, was Buchheim mit seinem „naiv-künstlerischen Zugang“ gesammelt hatte und womit er „durchaus bescheiden, geradezu asketisch“ in seinem Haus gelebt hat.
Was bei der Auktion zum Aufruf kommt, spiegelt seine Sammelleidenschaft wieder: etliche Mappenwerke, große Werkgruppen einzelner Künstler – herausragend die Mappe mit Radierungen Der Krieg von Otto Dix mit allein 50 Einzelblättern –, dazu Grafiken von Heckel, Schmidt-Rottluff.
Auch Katrin Stolls Lieblingsgrafik aus Expressionistenhand ist dabei: Max Beckmanns Kaltnadelradierung Selbstbildnis mit steifem Hut, das auch auf dem Auktionsplakat abgedruckt ist (Schätzpreis zwischen 40 000 und 60 000 Euro), kommt neben Grafiken von Chagall oder Picasso zum Aufruf.

Nichts für die Wand

Wo der Zuschlag jeweils liegen wird, hängt auch von der preisbildenden Klientel ab: „Die Zielgruppe sind neben den Sammlern auch Leute aus Film, Literatur, aus dem bayerischen Oberland.“ Der geht es nicht um ein Bild überm Wohnzimmersofa: Druckgrafik ist konservatorisch schwierig zu behandeln, nichts, was man sich so einfach aufhängt. Aber deutscher Expressionismus ist, so Katrin Stoll, etwas, das neben deutscher Romantik oder Dürer international gesammelt wird und in den Museen vertreten ist. „Und die Druckgrafik aus dieser Zeit war ein besonders dichtes Medium. Der Kontrast schwarz-weiß war ein die Aussage eines Bildes verstärkendes Element. Und der Expressionismus ist untrennbar mit der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert verbunden.“
Mit zwei Einschränkungen hat Katrin Stoll bei ihrer Versteigerung nicht zu rechnen: Keine der Positionen wurde im Bundesanzeiger als „deutsches Kulturgut“ deklariert und darf deshalb ins Ausland verkauft werden. Alle Stücke sind außerdem auf ihre Provenienz hin untersucht: Wenn der Katalog für die Auktion erscheint, werden alle Herkunftsaspekte für jedes Stück geklärt sein.
Die Buchheim-Sammlung hat sich hier grundsätzlich zu einer Nachforschung bereiterklärt, ob es sich bei ihren Beständen um Raubkunst aus ehemals jüdischem Besitz handelt. Nicht ohne Grund: Der passionierte Sammler Lothar-Günter Buchheim hat nach dem Zweiten Weltkrieg gekauft, ersteigert, hat vieles möglichst preiswert erworben. „Damals war der Umstand gar nicht moralisch diskutiert, es waren oft herrenlose Bilder, die da im Handel auftauchten“, erklärt Katrin Stoll. Sollte aktuell neues Material zu den Grafiken auftauchen, wäre ein privater Käufer ohnehin nicht zur Rückgabe verpflichtet. Die „Washingtoner Erklärung“ von 1998 (eigentlich: „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“) gilt nur für öffentliche Einrichtungen wie Museen oder Bibliotheken.
Nach der vielen Vorarbeit freut sich Karin Stoll jetzt auf die Auktion: „Solche Sammlungsauktionen sind eine der Stärken unseres Hauses. Wir haben immer wieder tolle Sammlungen, deren Einzigartigkeit und deren Ursprung wir für die Versteigerung herausarbeiten. Man bekommt eine amorphe Masse, die man dann für den Kunstmarkt formt.“ Und für den 28. November ist ihr Wunsch, „dass es in Bernried ein richtiges Feuerwerk gibt und dass es richtig knallt bei den Geboten.“ Wenn doch etwas übrig bleibt: Bis Mitte Dezember gibt es noch einen „Nachverkauf“. (Uwe Mitsching) Auktion am 28. November im Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1, 82347 Bernried.
Infos unter: www.neumeister.com
Abbildung:
Katrin Stoll wird die Auktion im Buchheim-Museum selbst leiten.    (Foto: Neumeister)

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