Kultur

Das Kunstmuseum Bern. (Foto: dpa)

24.11.2014

Bern tritt Gurlitts Erbe an

Jetzt ist es offiziell: Das Kunstmuseum Bern tritt das umstrittene Erbe an. Die Bundesregierung betont ihre moralische Verantwortung

Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an. Das bestätigte der Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, am Montag in Berlin. Kunstwerke, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen, sollen aber in Deutschland bleiben und an die Berechtigten zurückgegeben werden. Dies teilten Schäublin und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) heute in Berlin mit.
Sie unterzeichneten gemeinsam mit dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) eine Vereinbarung zum Umgang mit dem Gurlitt-Nachlass. Deutschland verpflichtet sich demnach, die Kosten für die Rückgabe von Bildern, die sich als NS-Raubkunst erweisen, zu übernehmen. Grütters betonte, die Aufarbeitung nationalsozialistischen Kunstraubs gehe weit über die rechtliche Dimension hinaus. Deutschland wolle seiner Verantwortung auch moralisch gerecht werden.
Von den Nazis als "entartet" diffamierte Kunst, die einst aus deutschen Museen entfernt wurde, soll in die Schweiz gehen. Gurlitts Geschäftsbücher sollten noch am Montag in die Online-Datenbank "Lostart" eingestellt werden. Schäublin betonte, Bern beteilige sich aktiv an der Erforschung der Herkunft der Bilder.
Der im Mai gestorbene Gurlitt, Sohn eines NS-Kunsthändlers, hatte das Berner Museum als Alleinerben eingesetzt. Seine Sammlung umfasst mehr als 1500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet. Kurz vor seinem Tod hatte er einen Vertrag mit der Bundesregierung unterzeichnet, in dem er die weitere Erforschung seiner Sammlung auf Nazi-Raubkunst zusicherte. Die Vereinbarung zwischen Bern, Bund und Bayern fußt auf diesem Vertrag. 
Eine Cousine zweifelt das Testament des Kunsthändlers allerdings an und beantragte beim zuständigen Amtsgericht in München einen Erbschein, wie das Gericht am Montag bestätigte. Hintergrund - Der Fall Gurlitt
Die wichtigsten Stationen im "Fall Gurlitt", der die Kunstwelt in Atem hält - auch weit über den Tod des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt hinaus:

22. September 2010: Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.
23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.
28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, eine Berliner Kunstexpertin mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.
3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin "Focus" bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.
11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform "lostart.de" veröffentlicht - nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.
19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.
23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.
28. Januar 2014: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen.
10. Februar 2014: Es wird bekannt, dass mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gefunden wurden -darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet. Später stellt sich heraus, dass es sich sogar um insgesamt 238 Werke handelt.
7. April: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.
9. April: Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei.
6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München, ohne seine Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben.
7. Mai: Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht.
19. Mai: Gurlitt wird in Düsseldorf im Grab seiner Eltern beigesetzt.
5. September: Im Nachlass von Gurlitt ist nach Angaben der Berliner Taskforce ein weiteres wertvolles Bild gefunden worden: Das Bild "Abendliche Landschaft" von Claude Monet.
17. November: Ein von Mitgliedern der Gurlitt-Familie in Auftrag gegebenes Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner wird bekannt, demzufolge Cornelius Gurlitt an "paranoiden Wahnideen" gelitten habe.
21. November: Es wird bekannt, dass das Kunstmuseum Bern das Gurlitt-Erbe annehmen will. Am selben Tag erhebt die Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers.  
24. November:  Das Kunstmuseum Bern bestätigt offiziell, dass es das Erbe annimmt. Kunstwerke, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen, sollen in Deutschland bleiben und an die Berechtigten zurückgegeben werden. (dpa)

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