Kultur

Nachbildung eines Bestatteten mit Rosenkranz und Leichentuch. (Foto: Erzbistum Bamberg/Hendrik Steffens)

21.10.2016

Besuch vom unheimlichen Bruder

Die Ausstellung „Der letzte Weg“ im Diözesanmuseum Bamberg beschäftigt sich mit dem Tod

Das Sterben begleitet das Leben wie der Schatten den in der Sonne Gehenden: Das eine gibt’s nicht ohne das andere. Der Tod ist der ein bisschen aus den Augen geratene große Bruder, der dazugehört, auch wenn er vielleicht auf einem ganz anderen Kontinent wohnt, sein Besuch möglicherweise überraschend und nicht selten unerfreulich ist. Immerhin kann man sich auf ihn so sehr verlassen wie auf nichts und niemanden anderen. Der Tod kommt, da braucht man nicht zu wetten. Wie nahe er war, ist und sein wird, zeigt jetzt eine kleine, erstaunlich vielschichtige Ausstellung im Diözesanmuseum Bamberg. Konzipiert und ausgeführt haben die Ausstellung Dozenten und Studenten des Fachs Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit von der Universität Bamberg; sie zeigen regelmäßig der Öffentlichkeit die Ergebnisse ihres Tuns. Und weil archäologische Befunde auch nach Frühzeit und Antike wertvolle Interpretationshilfen der Geschichtswissenschaften und der Kultur- und Alltagsgeschichte liefern können, sind sie auch in dieser Sonderausstellung im wahrsten Wortsinn tiefschürfend. Zusammen mit Exponaten rund um Bestattungsriten, Sterbebräuche und dem letzten Glockenschlag bietet Der letzte Weg einen Blick hinunter in Jahrhunderte Grubengräberei.

Tragische Geschichten

Heute tritt der Tod allgemein eher im Gewand der Tragik auf. Er erzählt die Biografie eines jeden Menschen von seinem Ende her. Und da gibt es tatsächlich dramatische Geschichten. Einer der Schwerpunkte der Ausstellung ist eine private Sammlung von Sterbebildchen, die allesamt auch Geschichte und Geschichten erzählen. Tragische Geschichten wie diejenige der Familie Unertl aus Bruck, die in den Jahren 1942, 1943 und 1944 mit Ludwig, Andreas und Josef gleich drei ihrer Söhne verlor. Und ein Krieg vorher waren es Matthäus und Albert Vilsmeier aus Gangkofen, deren Tod im Jahr 1916 auf dem Schlachtfeld von heute her gesehen so schrecklich dumm, sinnlos und also tragisch scheinen. Das Leben im Mittelalter war viel mehr als heute auf den Tod hin ausgerichtet. Das zeigen die Installationen und Exponate der Archäologen, zeigen die Erinnerungen an die Leprakranken, Siechenhäuser und Bilder wie jenes aus Kärnten aus dem Jahr 1680 mit dem Titel Pestkranke hoffen auf den Beistand der Muttergottes. Leben, Schmerz und Krankheit durchdrangen einander tatsächlich geschwisterlich. Ein – sowieso für damalige Verhältnisse recht alt gewordener – toter 50-Jähriger aus einem Heidelberger Spitalfriedhof hatte eine starke Verwundung im Gesicht, war als deren Folge vermutlich auf einem Auge blind, litt an Verschleißerscheinungen an Halswirbelsäule und Ellenbogengelenk, einem entzündeten Unterkiefer und Paradontitis.

Unromantische Zahnschmerzen

Wahninnige Zahnschmerzen sind ein guter Antipode zur obwaltenden Mittelalterromantik. Und schon hier beginnt eine Assoziationsdichte, die sich durch die gesamte Schau hindurchzieht. Archäologische Funde, Kunstwerke, Kondolenzkarten, Gebetbüchlein, Särge und Urnen, Totengewand und -beigaben wie jenes Goldblattkreuz plus Waffenbeigaben aus dem frühen Mittelalter, das den Übergang vom Götterglauben zum Christentum demonstriert und Dokumente wie ein Beitrittsformular zum „Kranken-Unterstützungs- und Leichen-Verein“ Bad Staffelstein aus dem Jahr 1867: Der Tod ist Wächter über viele Räume. Die Ausstellung öffnet die Türen zu jenen Themenräumen vom Reliquienkult bis zu Exekutionen, vom Duell bis zum Totentanz, zum Skelettschwof, wie exemplarisch vier Arbeiten aus dem Bamberger Totentanz von Johannes Schreiber aus den Jahren 2015 und 2016 zeigen. Seine Glas-Mosaiken sind aufgebaut an einer Ecke des Kreuzgangs im Museum. Durch sie leuchtet die Sonne hindurch. Sonne, Tod und Leben gehen eine Verbindung ein, die – vielleicht – in einer vom Leben aus kaum zu fassenden Ewigkeit mündet. Auch das ist ein Thema. Denn eine solche Schau in Verbindung mit einem Diözesanmuseum gibt zwangsläufig einen weiteren potenziellen Blick frei: den auf das, was hinter dem Tod liegen mag. (Christian Muggenthaler) Information: Bis 13. November. Diözesanmuseum, Domplatz 5, 96049 Bamberg. Di. bis So. 10 - 17 Uhr. www.dioezesanmuseum-bamberg.de

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.