Kultur

Bizarres Wesen: Kopf der Chimäre, Federzeichnung von Battista Franco auch "Semolei" genannt (1498 bis 1561). (Foto: Kunstsammlungen Veste Coburg)

31.07.2015

Bizarrer Höllentrip

Die Kunstsammlungen der Veste Coburg zeigen in einer Auswahl ihrer Grafiken "Die dunkle Seite der Renaissance"

Hexen, Monster, Tod und Teufel: Die Kunstsammlungen der Veste Coburg stellen in der zweiten großen Grafikausstellung dieses Sommers nun Die dunkle Seite der Renaissance vor. 70 grafische Blätter und Buchdrucke zeigen Bizarrerien im Kontext der italienischen Druckgrafik des 16. Jahrhunderts. Überwiegend präsentiert die Ausstellung in der Veste Bestände des Coburger Kupferstichkabinetts, ergänzt werden sie durch Leihgaben der Staatlichen Museen Berlin, der Albertina Wien und der Bamberger Staatsbibliothek. Es wird die Ambivalenz eines Weltverständnisses zwischen dem vorwärtsgewandten Humanismus und dem Verhaftetsein im Glauben an die Macht der Höllenkräfte deutlich.

Visualisierung des Bösen

Die Wurzeln unserer heutigen Mediengesellschaft, in der sich Ideen über das Bild mitteilen, liegen im 15. Jahrhundert. Mit der Erfindung des Buchdrucks war es plötzlich möglich, Texte und Bilder vielfach zu verbreiten. Auch mit dem Massenmedium der Druckgrafik konnten nun viele Menschen die Bildideen großer Künstler kennenlernen. Die „ruhende Quellnymphe“ ist ein Motiv der hellen Seite der Renaissance. Wie die von Kuratorin Christiane Wiebel-Roth ausgewählten Blätter (u. a. von Hans Baldung Grien, Hans Sebald Beham) zum Einstieg in die Ausstellung zeigen, wird die heile Szenerie mit Nymphen und hilfreichen Satyrn plötzlich von Hexen und gar dem Tod gestört. Der Darstellung idealer Schönheit nach antiken Vorbildern stellen die Künstler in phantasievollem Detailreichtum nun Bizarrerien, also Visualisierungen des Bösen, zur Seite. Der heilige Antonius, der von Dämonen gepeinigt wird, ist in einem Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä. im Gewirr der furchterregenden Monster kaum noch zu erkennen.
Die Angst vor dem Tod kontern die gebildeten Zeitgenossen mit einer Beschäftigung mit dem Tod aus. Nicht nur Mediziner erkunden den menschlichen Körper durch die Sektion, auch der Künstlernachwuchs studiert Muskeln, Knochen und Organe in der eigenen Anschauung von Leichnamen. Andrea Mantegnas Christus in der Vorhölle zeigt die infernalisch tobenden Höllenwesen in einer Kombination mit Aktdarstellungen.

Unter die Haut geschaut

Die Anatomiebücher des Andrea Vesalius zeigen das neue Studienziel: den Menschen. Wie es in der Akademie der Schönen Künste (Bildtitel) zugegangen sein könnte, vermittelt der Kupferstich von Cornelis Cort in allegorischer Verdichtung: Die Zeichenschüler arbeiten nach an Stricken aufgehängten Skeletten oder gehäuteten Leichen. Zudem zeigt dieses Blatt auch die anderen Disziplinen des Curriculums: die Bildhauer und – ein seltenes Motiv – auch die Kupferstecher mit ihren Griffeln.
Doch wie könnte man sich die Auferstehung des Fleisches vorstellen, von dem die Bibel spricht? Giorgio Ghisi entwickelt in Die Vision des Hesekiel ein skurriles Bild: Während Leichen den düsteren Sarkophagen entsteigen, Knochen fein säuberlich sortiert werden und Halbverweste sich auf Grabsteine stützen, bricht ein fröhlich untergehaktes Skelettpärchen aus dieser Zwischenwelt auf. Ein Blatt, das durchaus an heutige Zombiefilme erinnert. Neben der Vanitas, der Eitelkeit alles Irdischen, widmet sich eine Bildfolge auch den Hexenphantasien. Wie populäre Bildfindungen kopiert und variiert wurden, erklären die beiden Hexen-Blätter von Albrecht Dürer und Benedetto Montagna. Im Hexenzug von Agostino Veneziano wird eine hässliche, alte Hexe von schönen Jünglingen in einem Wagen aus Gerippeteilen durch ein wogendes Gräsermeer gezogen. Das prominente Blatt wird in verschiedenen Druckzuständen und mit der zugehörigen Druckplatte präsentiert. Die Ausstellung ist ein schöner Anlass, die großen Pretiosen der reichen Coburger Grafiksammlung zu präsentieren. Wer Albrecht Dürers Melencolia oder auch Ritter, Tod und Teufel im Original bestaunen will, hat dazu Gelegenheit. Der reich bebilderte Katalog zur Ausstellung gibt umfassende Erläuterungen zum Verständnis solcher Arbeiten und erklärt, wie diese seltenen Bildwelten von ihren Auftraggebern zu Andachts- oder Repräsentationszwecken gebraucht wurden. (Heidi Schmitt) Bis 13. September. Kunstsammlungen der Veste Coburg, 96450 Coburg. Täglich 9.30 – 17 Uhr.

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