Kultur

Im Kampf mit dem unaussprechlichen "r": Michael Hochstrasser, Josephine Köhler, Jutta Richter-Haaser als Köche im chinesisch-vietnamesischen Thai-Restaurant "Der Goldene Drache". (Foto: Marion Bührle)

07.01.2011

Blutige Sozialgroteske

"Der Goldene Drache" am Staatsschauspiel Nürnberg als rasant inszeniertes absurdes Theater

Nicht nur die Winterkälte, auch die soziale Kälte macht frösteln. Mit der Inszenierung des „Theaterstücks des Jahres“, Roland Schimmelpfennigs Der Goldene Drache, holt sie das Staatsschauspiel Nürnberg auf die enge Bühne der Kammerspiele: als blutige Sozialgroteske, die der soziologischen Wirklichkeit dieses Landes den Spiegel des absurden Theaters vorhält.
Vielleicht kann man im Theater den gesellschaftlichen Realitäten anders gar nicht mehr beikommen, als sie bis ins Surrealistische zu verfremden. Roland Schimmelpfennig (Jahrgang 1967), derzeit meistgespielter deutscher Theaterautor, siedelt die sozialen Verhältnisse im chinesisch-vietnamesischen Thai-Restaurant Der Goldene Drache an, über dem Sozialmieter aller Couleur in ihren Wohnverschlägen dahinvegetieren.
Die rasante Nürnberger Inszenierung Petra Luisa Meyers stellt die rasch wechselnden Szenen auf der Simultanbühne (Bühnenbild: Stefan Brandmayr) wie in einem Guckkasten aus, Schauspieler sprechen die Regieanweisungen wie Kommentare.
Dass die fünf Schauspieler (Jutta Richter-Haaser, Josephine Köhler, Michael Hochstrasser, Pius Maria Cüppers und Philipp Niedersen) dann in alle 20 Rollen schlüpfen und 120 mal die Kostüme wechseln müssen, beschleunigt das Tempo ungeheuer – verwischt allerdings mit Slapstick-Einlagen, Zaubereien und viel Klamauk die tragische Komödiantik. So etwa, wenn die fünf Köche im „Goldenen Drachen“ unentwegt und bis hin zur Karikatur mit Dauerlächeln, devoter Verbeugungs-Freundlichkeit und dem unaussprechlichen „r“, (das zur Lachnummer mit dem „l“ mutiert), die ridiküle Chinesen-Attitüde bedienen müssen.
In den stilleren Momenten gelingen der Inszenierung freilich auch elegisch anrührende Szenen: Die Fabel von der faul zirpenden Grille und der fleißigen Ameise, die die Grille ausnutzt und zur Prostitution nötigt, spielen Michael Hochstrasser (als fremdländische Grille) und Jutta Richter-Haaser (als deutsche Ameise) zur anrührenden Parabel auf das ungeliebte Fremde, gleichsam mit Migrationshintergrund. Und auch Philipp Niedersens einsamer Großvater, der in seiner Wohnschachtel unter dem Dach der Jugend nachtrauert, mildert den streckenweise bis zur Belanglosigkeit schrill eingefärbten Comic-Bilderbogen etwas ab.
Der Nürnberger Goldene Drache: Theater des Grand Guignol, das den Zeitgeist bis zur trivialen Beliebigkeit auf die Spitze treibt – und manchmal auch in den Nonsens abdriften lässt. (Friedrich J. Bröder)

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