Kultur

Verlockendes Teufelszeug: Keawe (Paul Schweinester, rechts, mit Virgil Mischok als Lopaka) bedient sich des Flaschenzaubers ausgiebig. (Foto: Christian Zach)

31.01.2014

Das Böse in der Liebe

Wilfried Hillers "Flaschengeist": So harmlos kann neue Musik sein

Der Bildungsmurks bereitet große Probleme. Weil die Lehrpläne an den Schulen immer voller werden und die Lehrerstellen weniger, haben Kinder und Jugendliche kaum noch freie Zeit. Vielleicht war das der Grund, warum sich bei der dritten Aufführung des neuen Singspiels Der Flaschengeist von Wilfried Hiller junges Publikum rar machte. Jedenfalls sah man im Carl-Orff-Saal im Münchner Gasteig vor allem viele graue, weiße Köpfe. Dabei ist das neue Werk des Münchner Komponisten durchaus auf Kinder zugeschnitten. Oder war etwa der abendliche Aufführungsbeginn unter der Woche wenig kindertauglich?
Das Gärtnerplatz-Theater hatte Hiller mit dem neuen Werk beauftragt, die Geschichte geht auf Robert Louis Stevenson zurück. Dem Matrosen Keawe (Paul Schweinester) wird eine Flasche angedreht, in der ein Geist hockt (Roland Schneider). Wer die Flasche samt dem Geist besitzt, kann sich alles wünschen – und es geht in Erfüllung.
Doch alles Gute hat einen Haken: Der Geist ist der Teufel persönlich. Wer diese Teufelsflasche noch im Augenblick des Todes besitzt, muss ewig in der Hölle schmoren. Um sie wieder loszuwerden, muss man sie billiger verkaufen, als man sie selber erworben hat. Es ist ein makabres Teufelsspiel, denn: Irgendwann liegt der Preis bei einem Cent – und was dann? Genau diese Frage muss sich Keawe stellen.
Zuvor aber wünscht er sich vom Flaschengeist viel Reichtum, um der Fischerstochter Kokua (Katharina Ruckgaber) zu gefallen. Bald verkauft er die Flasche weiter. Doch dann erkrankt er an Lepra und will sie wieder haben, um geheilt zu werden.
Doch inzwischen liegt der Preis bei zwei Cent. Wer würde ihm die Flasche nach der Heilung abkaufen wollen? Kokua hat einen Plan: In Französisch-Polynesien gibt es Geld, das weniger wert ist als ein Cent. Also: Nichts wie weg! Es geht tatsächlich gut aus – jedenfalls für das junge Paar. Zu dieser Geschichte schuf Hiller eine farbenreiche Allerweltsmusik, die auch Folklore, Jazz und Unterhaltungsmusik integriert. Hierzu passt die kunterbunte Inszenierung von Nicole Claudia Weber bestens.
Das alles ist einfach gestrickt und leicht verständlich. So harmlos und handzahm kann neue Musik sein – was unter der Leitung von Michael Brandstätter solide dargeboten wurde. Tatsächlich reiht sich dieses Singspiel, das man auch als Musical bezeichnen könnte, ein in Hillers Bühnenkreationen, die sich für Familien, Kinder und Jugendliche eignen. Mit dem Schriftsteller Michael Ende hatte er einst den Goggolori, Tranquilla Trampeltreu, das Traumfresserchen und den Rattenfänger realisiert.
Und doch hinterlässt dieses neue Werk einen schalen Nachgeschmack. Das hängt vor allem mit dem Libretto zusammen, das Hiller mit Felix Mitterer zusammengeschnürt hat. Manche Sprüche sind recht befremdlich. „Ich wollte schon immer eine Engländerin genießen“, heißt es beispielsweise schlüpfrig. Oder: „Eine anständige Frau sollte zu dieser Zeit im Bett liegen.“ Welcher Teufel hat Hiller bloß geritten, ein derart vorsintflutliches Frauenbild zu verbreiten? (Marco Frei)

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