Kultur

Die angehenden Herren Gelehrten machen sich ihren Spaß mit dem Einfältigen – oder umgekehrt? „Das Bäuerlein auf dem Studentenkommers“ malte Johann Baptist Pflug um 1829. Hier ein Ausschnitt des Bildes - die Gesamtansicht finden Sie im Beitrag. (Foto: Museum Biberach)

18.08.2017

Der Witz steckt im Detail

Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zeigt die Maler Carl Spitzweg und Johann Baptist Pflug

Vorhang auf für ein kleines Theater: Mit einer extremen Vergrößerung des Ausschnitts aus Carl Spitzwegs Bild Serenissimus – er kommt beginnt im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt die heiter-leichte Sommerausstellung Spitz und Knitz. Sie ist dem Vergleich der beiden Maler Carl Spitzweg (1808 bis 1885) aus München und Johann Baptist Pflug (1785 bis 1866) aus Biberach gewidmet. Das „Knitz“ im Ausstellungstitel bezieht sich auf den schwäbischen Begriff für „spitzbübisch“. Mit Spitzwegs Bild zum Auftakt soll der Betrachter augenfällig mitkriegen, dass da nicht nur eine harmlose Alltagsszene geschildert ist, sondern dass hier eine Art Schauspiel stattfindet: Ein eingebildeter „besserer“ Herr in Allongeperücke und Samtwams, mit vorgestrecktem Bauch und geziert-würdiger Haltung schreitet eine Treppe herab, ein Soldat präsentiert etwas überrascht das Gewehr in nicht mehr ganz korrekter Haltung. Eine Beobachtung aus dem Alltag im 19. Jahrhundert – alles nicht mehr zeitgemäß, irgendwie daneben und lächerlich. Auch der Genremaler Johann Baptist Pflug, der praktisch noch für die Generation kurz vor Spitzweg steht, schilderte Alltagsszenen: auf dem Land, in Wirtshäusern, unter den Soldaten. Der Unterschied zu Spitzweg: Pflug schuf vielfigurige Bilder; es wimmelt bei ihm nur so von Menschen. Die wirken mit ihren verkürzten Körpern und dicken Köpfen recht drollig. Während Pflug sich wohl niederländische Künstler des 17. Jahrhunderts zum Vorbild nahm (in seiner Münchner Akademiezeit kopierte er sie ebenso wie Rubens für einen Kunsthändler), orientierte sich Spitzweg gerne an den Figurinen für Nestroys Possen mit ihren verrenkten Haltungen, ihrer Mimik und Kleidung, wie sie auf vielfach publizierten Grafiken auftauchen.

Amüsante Anspielungen

Spitzweg schuf durch die Beschränkung auf wenige Personen quasi theatralische Szenen mit hintergründiger, oft ein wenig ironisierender Bedeutung. Wichtig ist es, auf Bilddetails zu achten, denn die verraten einiges über das Gemeinte. So etwa beim Kaktusliebhaber: Die Pflanzen vertreten gewissermaßen die Frau, die sie nach der damaligen Bestimmung zu pflegen hatte. Und dass der arme Poet im Bett liegt, könnte auch ein Hinweis auf den Ort der Liebe sein. Beide, Spitzweg ebenso wie Pflug, interessierten sich für Randgruppen der Gesellschaft, für reisende Schauspieler und Soldaten. Letzteren geht durch Tätigkeiten wie Pfeife stopfen oder stricken jedes Martialische ab. Der humoristisch-kritische Unterton bei Pflug ist zu beobachten bei einem Heiratsabend, der gar nicht so lustig zu sein scheint, bei einer Taufvisite oder beim Schultheißen-Abschied, von dem der scheinbar honorige Herr wegen seiner niederen Herkunft nicht standesgemäß aufbricht. Die etwa 100 Bilder, darunter Spitzenstücke von Spitzweg und Pflug, schildern im Vergleich mit anderen Werken die Stimmung der Zeit, große Themen im kleinen Format, und setzen damit einen Kontrapunkt gegen die heroisierende Salonmalerei. Sie sind ein bürgerliches Welttheater im Kleinen. (Renate Freyeisen) Information: Bis 24. September. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr. www.museumgeorgschaefer.de Abbildungen:
Großer Auftritt zur falschen Zeit: Spitzwegs „Serenissimus“ entlarvt überkommenes Gehabe.   (Foto: MGS) Die angehenden Herren Gelehrten machen sich ihren Spaß mit dem Einfältigen – oder umgekehrt? „Das Bäuerlein auf dem Studentenkommers“ malte Johann Baptist Pflug um 1829.    (Foto: Museum Biberach)

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