Kultur

02.07.2010

Die Ballerina lebt gefährlich

Terence Kohlers Krimi-Ballett „Série Noire“

Endlich geht es mal nicht um Liebe und gebrochene Herzen. Der Australier Terence Kohler hat fürs Bayerische Staatsballett den Ballett-Krimi Série Noire choreografiert, so richtig mit filmischen Hell-Dunkel-Lichtkontrasten, Rückblenden und einem beharrlichen Detektiv auf der Spur von mysteriösen Todesfällen. Der von Karlsruhes Ballettchefin Birgit Keil – sie gehörte zu den Stars der illustren Stuttgarter John-Cranko-Ära – geförderte Kohler hatte sich 2008 mit seinem Münchner Ballettwochen-Beitrag Once upon an ever after auch hierorts als Hoffnungsträger eingeführt. Man war also gespannt auf den Abend im Prinzregententheater. Gleich zu Beginn sehen wir auf erhöhter Leinwand einen Pas de deux aus einer Aufführung der Pariser Oper aus den 1920er Jahren. Nach kurzer Zeit würgt die rehschlanke schöne Tänzerin (Staatsballett-Elitesolistin Lucia Lacarra) – und bricht tot zusammen. Kein gutes Omen für das aktuelle Ensemble, das gerade just dieses Werk probt. Schon stürzt eine Scheinwerfer-Schiene herunter. Der einstudierende Choreograf ist auch sichtlich nervös, macht die Schritte ziemlich hektisch vor. Die Tänzer in Trainingsoutfits markieren zwar emsig die vorgegebenen Bewegungen – insgesamt jedoch wuselt es recht durcheinander. Die erste Solistin kriegt gar nichts auf die Reihe, verpatzt eine Hebung. Und macht eine Riesenszene, als sie durch eine Jüngere ersetzt wird – die dann plötzlich tot ist: genau wie die im Film gesehene französische Kollegin und davor schon eine Ballerina im zaristischen Russland. Fluch, Schicksal oder Mord? Lösen wird Kohlers Trenchcoat-Detektiv die Fälle nicht. Die Krimi-Form erlaubt jedoch einen Blick hinter die von Rollenneid und Intrigen nicht freien Ballett-Kulissen. Erlaubt auch die Freiheit, in den Zeitebenen hin und her zuspringen und zugleich den Stilwandel des Balletts zu skizzieren: Veraltet blumige, laszive Ports de bras für die russische Ballerina, die dem Zaren entgegenschmachtet; elegante Neoklassik für die Französin und postmoderne akrobatisch verschrägte Neoklassik für das gerade probende Ensemble, sprich das exzellent auf Kohlers Stil eingestimmte Staatsballett. Phänomenal schön – und auch so getanzt – die Pas de deux für die drei Ballerinen und ihre Partner.
Für den Outsider, den Detektiv, erfand Kohler ganz unklassische Bewegungen. Und wenn durchgehend intelligent ausgesuchte, weniger bekannte Musiken von Philip Glass das Tanzgeschehen vorantreiben, dann fegt Detektiv Alen Bottaini virtuos neo-expressionistisch über die Bühne zur derb reinhauenden Komposition für Piano und Tonband von Pierre Jodlowski. Kohler hat da sorgfältig und mit viel Bewegungsfantasie choreografiert. Auch die filmische Rückblende-Technik ist zum guten Teil gelungen. Dennoch ist diese Story dramaturgisch wie auch mit ihrem vielen Gestikulieren und der Alltags-Pantomime sehr konventionell, um nicht zu sagen allzu brav erzählt. Und zwischen Zaren-Gunst und Affären der Ballettchefs mit ihren Stars auch zu kolportagehaft aufgezogen. Aber Kohler ist erst 26, hat also noch Zeit, sich künstlerisch weiterzuentwickeln. (Katrin Stegmaier)

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