Kultur

Große Aufgabe: Karina Ressler baut an der HFF das professionelle Lehrangebot für Editing auf. (Foto: Privat)

09.01.2015

Die Geschichtenerzählerin

Neue Professur an der Hochschule für Fernsehen und Film: Karina Ressler über die Kunst der Montage

Cutter – das klingt so schnöde“, winkt Karina Ressler energisch ab. Ihre Berufsbezeichnung lautet „Editor“: „Das drückt viel besser aus, dass die Montage beim Film eben keine bloß manuelle Arbeit, sondern eine ungemein kreative Leistung ist. Wir erzählen den Film ja ein zweites Mal, geben ihm letztendlich seine Form.“
Wie das geht, bringt die Österreicherin jetzt den Studenten an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München bei: Dort wurde eine neue Professur für Montage geschaffen, sie ist eingebunden in die Abteilungen Kino- und Fernsehfilm sowie Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik.
Freilich wurden die Grundprinzipien von Schnitt und Montage auch bisher behandelt, allerdings lief der Unterricht eher so mit – anders als zum Beispiel in der Filmuniversität Babelsberg oder der Filmschule Köln, wo es eigene Studiengänge fürs Editing gibt. Natürlich ist ein Studium an einer Hochschule kein Garant für eine Karriere als Editor – es gibt eine Vielzahl anderer Ausbildungsmöglichkeiten ohne Abitur, Quereinsteiger sind auch nicht selten.

Unseriöser Billigmarkt

Ein PC und ein einschlägiges (gar noch gecracktes) Programm: Schon glaubt allerdings auch mancher Laie, seine Dienste als Cutter zu Dumpingpreisen anbieten zu können – und bekommt in Low-Budget-Produktionen oft den Zuschlag. Gegen diese Konkurrenz vom „unseriösen Billigmarkt“, wie es Karina Ressler bezeichnet, haben zunehmend auch die Kollegen vom Ton zu kämpfen.
Da nimmt sich das neue HFF-Angebot in Sachen Montage wie eine Offensive in der Lobbyarbeit aus: Nur wenn künftige Drehbuchautoren, Regisseure, Kameraleute ebenso wie Produzenten um die Kunst der Montage Bescheid wissen, lernen sie auch die Qualitätsarbeit ihrer künftigen Kollegen vom Schnitt zu schätzen und für ihre eigene Arbeit zu nutzen. Gerade im boomenden Genre des Dokumentarfilms spielt die Montage eine eminent wichtige Rolle – „sie gibt dem Filmmaterial überhaupt erst eine Erzählhaltung“, sagt Karina Ressler.
Die Professorin hat Pionierarbeit vor sich: Sie will dem HFF-Lehrangebot für Montage nun ein professionelles Profil einverleiben. „Ich gehe dabei wie bei einer Filmmontage vor“, vergleicht sie: „Erst muss ich das Material sichten, in diesem Fall die Gegebenheiten im Lehrangebot und was das Interesse der Studenten angeht. Dann erst kann ich das Studienangebot konkret zusammenstellen.“
Fest steht schon jetzt (Karina Ressler ist erst seit 1. Dezember in München), dass sich das Seminarangebot (wohl in Blöcken) keinesfalls auf Einführungsveranstaltungen beschränken wird, sondern sich über alle Jahrgangsstufen erstrecken wird. Und ein wohldosierter Mix aus Theorie und Praxis sein wird. Das heißt: Was den Umgang mit analogem Material, also dem klassischen Celluloid angeht, wird es bei einer „kleinen Fühlungsnahme“ bleiben, dem Rückblick in der Theorie. Zwar wird an der HFF teilweise in kleinen Übungen noch analog in 16 und 35 Millimeter gedreht – anschließend wird das Material jedoch digitalisiert und entsprechend weiter bearbeitet.

Idealismus ausleben

Karina Ressler ist in beidem zuhause, hat früher noch Celluloidstreifen auf dem Schneidetisch durch ihre Hände laufen lassen: „Das war haptisch direkter als Regie oder Kamera, weshalb ich während des Studiums schnell Lust an der Montage bekam. Ich habe dann sehr unspektakulär-stringent den Beruf des Editors verfolgt.“ Nach dem Abitur ging die geborene Kärntnerin (Jahrgang 1957) nach Wien auf die Universität für Musik und Darstellende Kunst und dort in die Abteilung Film und Fernsehen; parallel studierte sie auch noch am Institut für Kulturelles Management.
„Naja, eigentlich wollte ich mal Jura studieren und gegen die Probleme in der Welt und für Menschen kämpfen“, verrät sie schmunzelnd. „Aber das kann man alles auch beim Film machen, und zwar nicht nur als Drehbuchautor oder Regisseur. Auch Editoren können und müssen ihren Idealismus ausleben. Auch sie müssen eine klare politische und moralische Position beziehen“, fordert sie – und wird, je mehr sie über das Selbstverständnis ihrer Zunft spricht, umso heftiger: „Mich ärgert es furchtbar, wenn man meint, Cutter müssten einfach nur gutes Rhythmusgefühl haben und sich einfühlen können. Und dass deshalb Frauen besonders dafür geeignet seien.“
Vielmehr sind gerade männliche Kollegen im Vormarsch, seit das Montagewerkzeug der PC geworden ist, hat sie beobachtet. Freilich genüge es nicht, nur ein Informatik-Nerd mit Hang zur Bildbearbeitung zu sein: Letztlich müsse man bei aller handwerklichen Begabung und einem unabdingbaren Sinn für Selbstorganisation und Ordnung vor allem eines haben: „Den unbedingten Willen zum Geschichtenerzählen!“

Erfolg liegt im Dialog

Es kann vorkommen, dass der Editor einen Film regelrecht rettet, weil er mit seiner Montage eine schwache Story aufpeppt. Umgekehrt kann der Schnitt auch vieles um seine Wirkung bringen. Bei aller Autonomie, die Karina Ressler in ihrer langjährigen Berufserfahrung zu schätzen gelernt hat, beherzigt sie eine Grundregel: „Miteinander sprechen! Der Dialog mit dem Filmteam, besonders mit dem Regisseur entscheidet den Erfolg.“
So lebhaft und einnehmend, wie Karina Ressler in ihrem noch karg ausgestatteten Professorenzimmer über ihr Metier und seinen „philosophischen Unterbau“ spricht, wie sie sich neugierig freut auf die studentische Kreativität, wie sie ihr Faible für die Independentszene gesteht, kann man gut verstehen, dass sie beim Filmnachwuchs während einer Probevorlesung sofort punktete.
Die Berufungskommission beeindruckte obendrein ihre anspruchsvollen Visionen für das künftige Leihrangebot, ihre bisherigen Erfahrungen als Gastdozentin und ihre Filmografie: Sie ist versierte Editorin von Kino- ebenso wie von Fernsehfilmen, nimmt sich Dokumentarmaterial ebenso vor wie (demnächst) einen Sciende-Fiction-Film – „mit politischem Anspruch“, fügt sie schnell an. Position ist wichtig. (Karin Dütsch) Abbildung:
Das Gespräch mit dem Regisseur ist für Karina Ressler wichtige Voraussetzung für den Filmerfolg. Beispiel dafür ist Revanche von Götz Spielmann, einem der wichtigsten österreichischen Autorenfilmer; der Film schaffte es 2009 in Hollywood zur Oscar-Nominierung in der Kategorie bester fremdsprachiger Film. (Foto: Privat)

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