Kultur

Die Mozart Oper "Idomeneo" in einer Eigenproduktion der Audi Sommerkonzerte. (Foto: Audi AG)

19.07.2016

Die Opera Seria als Spiegel der Welt

Mozarts "Idomeneo" bei den Audi-Sommerkonzerten in Ingolstadt

Die Säulen tragen schwankende Schiffe, die Projektionen zeigen einsame Strände unter düsteren Wolken, ein Mann rettet sich gerade mit dem, was er auf dem Leib trägt, ans trockene Land: einer halb-szenischen Aufführung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ genügen die wenigen Andeutungen, um im ausverkauften Theater-Festsaal von Ingolstadt und bei den Audi-Sommerkonzerten die Zuschauer mitten hineinzunehmen in ein packendes Musikdrama voll von existenziellen Extremsituationen. Viel hat der 24-jährige Mozart selbst an seiner „Karnevalsoper“ für München herumgeändert, an Libretto und Musik, viel ist danach immer wieder experimentiert worden. Heute ist es diejenige Oper von Mozart, die einem am unmittelbarsten packen kann. Besonders wenn sie mit einem unablässigen Furor vorangetrieben wird wie jetzt von Kent Nagano bei seinem „Vorsprung“-Festival inmitten der Sommerkonzerte. Harnoncourt, Norrington, Minkowski und Nagano sind die Dirigenten, die „Idomeneo“ bisher zu dieser expressiven und kühnen Kraft verholfen haben, die in Mozarts Partitur steckt. Naganos Lesart kennt man seit der Eröffnung des restaurierten Münchner Cuvilliés-Theaters, jetzt in Ingolstadt kam noch ein besonderer Besetzungscoup dazu. Christoph Prégardien und sein Sohn Julian, beides Tenöre, singen nicht nur die Hauptrollen dieser opera seria, sie leben auf der Bühne geradezu den gleichgestimmten Herzschlag von genitore und figlio, von schuldig gewordenem Vater und opferbereitem Sohn. Einem Seesturm war der Kreterkönig bei der Rückkehr vom Trojanischen Krieg nur damit entronnen, dass er dem Gott Poseidon den ersten Menschen als Opfer versprach, dem er – gerettet – am Ufer begegnen würde: Es ist sein Sohn. Nach zehn Jahren kennen sich beide kaum – ein Kriegsschicksal wie das der Sklavin Ilia, die es aus dem zerstörten Troja und dem dortigen Herrschergeschlecht nach Kreta und ins Exil verschlagen hat – und die den Prinzen Idamante liebt, sich für ihn opfern will. Oder das Schicksal der vor Neid und Eifersucht zerfressenen Elettra aus dem Atridengeschlecht von Agamemnon und Klytaimnestra. Da kommt schon einiges zusammen an Konfliktpotenzial in dieser Oper, für alles hat Mozart eine sehr individuell schattierte Musik komponiert. Marina Rebeka setzt sie mit schrill-exaltierten Tönen sehr passend um, Christina Gansch mit einer Mischung aus Verletztheit und liebevoller Hingabe. Besonders aber sind die beiden Prégardiens großartige, bis an die darstellerischen Grenzen intensive Gestalter dieser Vater-Sohn-Situation von biblisch-mythischen Dimensionen. Vor der vibrierenden Kulisse des in der Historischen Aufführungspraxis führenden Concerto Köln und der Audi-Jugendchorakademie zeigen sie überzeugende Gestaltungskraft. Mit der konnte Vater Christoph einem bisher unvergleichlich intensive Liederabende bescheren. Und hat sie offenbar an seinen Sohn uneingeschränkt vererbt: zwischen schwerblütiger Dramatik und lyrischer Hingabe. Als die Götter nach einer Weltuntergangssituation ein glückliches Ende zugelassen haben, ist Idomeneos „Schlussansprache“ das Bekenntnis eines aufgeklärten Monarchen zur „humanité“ – der Mann hat seine Lektion gelernt. Der tosende Beifall des Publikums schien nicht nur den fabelhaften Mitwirkenden, sondern auch dieser Rettung durch göttliche Gnade und menschliche Einsicht zu gelten. (Uwe Mitsching)

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