Kultur

Reine Handarbeit: Bogenbaumeister Thomas Acker in seiner Werkstatt. (Foto: Lorenz)

20.08.2010

Ein Bogen für alle Fälle

Damit Musiker ihren Streichinstrumenten die feinsten Töne entlocken können, fertigt Thomas Acker individuell abgestimmte Bögen

Das Festival „vielsaitig“ (1. bis 11. September) in Füssen gibt sich vielseitig: zum einen mit Konzerten unter dem Motto „Italia“, zum anderen als „Szenetreff“ – beispiels- weise beim Geigenbauforum. Daran werden nicht nur Geigenbaumeister teilnehmen, sondern auch Stegmacher und Bogenbaumeister wie Thomas Acker aus Erlangen. „Ich nenne mich lieber Streichbogenbauer“, sagt Thomas Acker sofort, wenn man ihn auf seinen Beruf anspricht. Weil sonst die Assoziation zum Bogenschießen und manchem „Bastelkurs“ in Sachen Survivaltraining allzu naheliegend ist. Bei aller gedanklichen Verbindung zur „Jagd nach dem perfekten Klang“: Nein, eine Waffe ist dem Geiger, dem Cellisten oder Bassisten sein Bogen bestimmt nicht, denn er setzt ihn ja nicht gegen sein Instrument ein – vielmehr will er mit ihm dem Klangkörper die subtilsten Töne entlocken.
Oft wird noch immer die Rolle des Bogens beim Zustandekommen des jeweiligen Klangerlebnisses unterschätzt. Da werden andächtig große Geigenbaumeisternamen wie Amati, Guarneri oder Stradivari zitiert, ein Solist, der sich ein solches Stück leisten kann, ist in seinem Spiel schon von vorneherein geadelt. Aber wer rühmt sich, einen Bogen von François Tourte zu führen? „Das ist sozusagen unser Stradivari“, reklamiert Thomas Acker den Franzosen (1747 bis 1835) für seine Zunft; Tourte hat den „modernen“ Bogen „erfunden“, die Maßstäbe für Länge, Gewicht und die Balance ebenso vorgegeben wie das Bemühen um ein ansprechendes Design.
Früher war der Bogenbau tatsächlich mal Sache der Geigenbauer (wenn nicht gar der Spielleute selbst), längst hat sich jedoch die Herstellung des subtilen „Werkzeugs“ als eigenständiges Vollhandwerk etabliert (drei Jahre Lehrzeit). Das freilich auch dem Wandel unterliegt: Serienfertigung zum einen, neue Verbundmaterialien zum anderen.
Was sich Thomas Acker (45) nach seiner Ausbildung im Erlanger Stadtteil Büchenbach aufgebaut hat, gilt inzwischen als Nische: Eine Werkstatt, in der er das traditionelle Handwerk ausschließlich für Einzelanfertigungen pflegt. „Ich mag nicht das Malen nach Zahlen, also das Arbeiten nach vorgegebenen Modellen“, sagt er, „ich will mehr Individualität walten lassen.“ Monatlich fertigt er gerade mal zwei Bögen.

Partnervermittlung

Überwiegend hat es Thomas Acker mit „g’standnen“ Musikern zu tun, die oft konkrete Vorstellungen umgesetzt haben möchten. Es kommt zwar hin und wieder auch vor, dass einfach um eine Auswahl von einigen Bögen mit diesen oder jenen Eigenschaften gebeten wird – am liebsten sind Acker aber Musiker, die bei ihm persönlich vorbeischauen.
„Eigentlich bin ich so etwas wie eine Partnervermittlung“, charakterisiert er lachend ein solches Treffen: Es geht darum, dass Musiker, Instrument und Bogen miteinander harmonieren. „Sehen Sie, wenn eine junge Geigerin zu mir kommt, die noch auf der Suche nach ,ihrem’ Klang ist, dann unterstütze ich sie nicht, indem ich ihr sage, wie Anne-Sophie Mutters Spiel klingt. Die Kopie ist der Tod des Originals. Die Geigerin soll ihren eigenen, einmaligen Klang finden.“
Es kommt auf die Klangvorstellungen des Musikers an, und auf seine persönliche „Handschrift“: ob er dazu neigt, fester oder eher weicher zu spielen; ja, auch anatomische Eigenarten bei der Gelenkigkeit können letztlich ausschlaggebend dafür sein, wie der Bogen geführt wird. Und dann das Instrument, der Klangkörper selbst: Wie klingt er, welche Intensität des Klangs lässt sich ihm entlocken – wiederum: Welche gefällt dem Musiker am besten? Wird das Instrument in der großen Philharmonie oder im intimen Konzertsaal für die Kammermusik gespielt?
„Eigentlich sollten die Musiker immer mehrere Bögen bei sich führen“, lautet Ackers Idealvorstellung: „Und zwar nicht nur für verschiedene Raumgrößen, sondern auch angepasst an die Musiken der verschiedenen Epochen. Bogenbauer haben nämlich immer das richtige Werkzeug für die jeweiligen kompositorischen Anforderungen hergestellt“, sagt der Meister stolz und skizziert plakativ die Bandbreite: „Will ich Brahms spielen, dann ist der moderne robuste Bogen richtig, weil der schwerer, ruhiger aufliegt. Bei Mozart dagegen braucht es wie im Barock einen leichten, spritzigen Bogen, der schneller springt, ja regelrecht tänzelt.“

Vorsichtig variieren

Weil aber Musiker in der Regel keinen Koffer voller Bögen mit sich führen, braucht es einen Bogen für alle Fälle: eine Herausforderung für den Bogenbauer, können doch die physikalischen Eigenschaften des Bogens nur in äußerst begrenzten Maßen variiert werden. Ob ein Bogen auf den Saiten lastet, der Strich zu hart oder zu weich ist, ob er zu unbeabsichtigten Vibrationen neigt oder bei den Schwingungen ein nur schwer kontrollierbares Eigenleben führt: Das spielt sich bei diesem hochfeinen Präzisionsinstrument im Bereich weniger Millimeter oder Gramm ab. Besonders wichtig ist, wo der Schwerpunkt auf dem Bogen liegt. Der wird vom Schwung des Bogens (dazu wird das Holz in mehreren Arbeitsschritten langsam erwärmt und gebogen) bestimmt, ebenso von der Wicklung im unteren Teil des Bogens und auch vom „Frosch“, das ist die Spannvorrichtung am Bogenende.
Von „Schulmaßen“ weicht Thomas Acker zwangsläufig ab, wenn er dem Musiker einen „maßgeschneiderten“ Partner in die Hand geben will. Einem Parameter beim Bogenbau bleibt er aber streng verpflichtet: Er verwendet ausschließlich das seit François Tourte etablierte Fernambuk-Holz. Die Balance von Steifigkeit und Flexibilität lässt sich mit diesem Holz bislang am besten erzielen. Einziges Problem: Das brasilianische Rotholz ist aus Naturschutzgründen seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Markt zu bekommen. Thomas Acker hat noch Vorrat, der nun sparsam und sorgsam behandelt sein will.

Kleine Gemeinheiten

„Es ist ein heikles Holz“, sagt der Bogenbaumeister – allerdings klingt das nicht nach Klage, sondern nach einer weiteren Herausforderung. Das Holz ist sehr hart, manchmal stößt man auf Drehwuchs, kleine Äste oder Haarrisse: „Je mehr ich mich in das Holz reinarbeite, desto mehr sehe ich, was in ihm steckt. Leider eben auch kleine Gemeinheiten.“ Dann ist es bestenfalls noch für „geringere“ Ansprüche weiterzuverarbeiten – schlimmstenfalls taugt das Holz nur noch zum Verschüren.
Aber die Sperrigkeit des Materials gehört zu Ackers Auffassung seiner eigenen kreativen Arbeit. Deshalb würde er beim Material auch nicht „umsteigen“. „Natürlich habe ich im Sortiment auch Bögen aus Carbonfaser, dann eben von anderen Herstellern“, räumt er ein. Er ist realistisch: Diese Bögen sind vor allem bei Anfängern beliebt. Sie sind günstig, und sehr stabil, mit ihnen muss man nicht so behutsam umgehen und sie verzeihen es auch, wenn sie hin und wieder mal runterfallen. „Carbon imitiert zwar die Spieleigenschaften von Holz, aber fürs feine Gehör klingt es halt nicht genauso“, bleibt für den passionierten Cellisten die Devise. (Karin Dütsch)

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