Kultur

Norman Hacker (Hoederer), links, und Christian Erdt (Hugo). (Foto: Julian Baumann)

30.09.2016

Ein Käfig voller Narren

Jean-Paul Sartres „Die schmutzigen Hände“ im Münchner Cuvilliéstheater - wirkt zwar antiquiert, hat aber witzige Momente

Wenn das kein nützlicher Tipp für Schreiberlinge ist: „Besser ein guter Autor, als ein schlechter Mörder“, heißt es in Jean-Paul Sartres Diskussions-Drama Die schmutzigen Hände (1948). Dass dem nachmaligen Star-Philosophen die unfreiwillige Komik solcher tröstlichen Weisheiten nicht bewusst wurde, ist verzeihlich. Denn so kurz nach dem Weltkrieg war der Sinn für Ironie verständlicherweise unterentwickelt. Aus heutiger Sicht wirkt freilich das gesamte Stück unweigerlich leicht ridikül. Der heilige Ernst, mit dem hier Fragen verhandelt werden, die wie wichtigtuerische Musterfälle aus dem Ethik-Lehrbuch für die Oberstufe anmuten, hätte fast etwas Rührendes, wenn er in uns nicht den Eindruck einer gewissen zeitgeistigen Beschränktheit hinterließe. Was auch daran liegen mag, dass die verstaubte Geschichte im Milieu einer kommunistischen Untergrund-Partei angesiedelt ist, wo man über „unzuverlässige“ Genossen ungerührt Sätze sagt wie „Wir können es uns nicht leisten, ihn zu liquidieren, ohne geprüft zu haben, ob er noch brauchbar ist“. Warum Martin Kuej, der Intendant des Staatsschauspiels, diesen Schnee von gestern jetzt herausgekramt und höchstpersönlich im Münchner Cuvilliéstheater inszeniert hat, bleibt um so rätselhafter, als nirgends deutlich wird, wo die Aktualität des Textes liegen könnte.
Direkt misslungen ist der Abend dennoch nicht, weil der Regisseur den Anachronismus selbst gespürt zu haben scheint und darum streckenweise bewusst das verkrampfte Diskurs-Pathos des Stücks ins Boulevardeske aufbricht. Gerade im Mittelteil sieht man plötzlich eine wunderbar witzige Krimikomödie, die fast an Woody Allen erinnert: da ist der junge Intellektuelle Hugo (Christian Erdt) vom radikalen Parteiflügel als Sekretär beim Chef des gemäßigten Flügels (lauernd-iovial: Norman Hacker) eingeschleust worden, um diesen umzulegen. „Morgen tu’ ich’s“, ächzt der idealistische Möchtegern-Mörder immer wieder in den Gesprächen mit seiner Gattin. Die wird von Lisa Wagner gegeben, die in dieser Rolle viel besser, spielfreudiger und verwandlungsfähiger ist denn je.
Als nur scheinbar unpolitisches, schnippisch-süßes Schmoll-Püppchen im stilechten 40er-Jahre-Look wird sie zum Glanzpunkt des Abends. Sie strahlt förmlich heraus aus dem riesigen Käfig, in dem sich die Handlung abspielt. Gut möglich, dass Ausstatter Stefan Hageneier mit diesem hochsymbolischen Gittergestell nicht nur menschliches Dasein oder politisches Handeln als eine einzige Gefangenschaft im Kerker der „Strukturen“ kennzeichnen wollte. Vielleicht ist dieses Bühnenbild vielmehr als Hinweis darauf zu verstehen, dass wir es in diesem Stück mit einem Käfig voller Narren zu tun haben.
(Alexander Altmann) (Philip Dechamps (Slick) und Lisa Wagner (Jessica) - Foto: Julian Baumann)

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