Kultur

Der „Doktor“ (Jochen Kuhl) experimentiert an Woyzeck (Stefan Lorch) herum. (Foto: Staatsschauspiel Nürnberg)

13.01.2012

Eine gehetzte, entblößte Kreatur

Gute Darsteller aber eine nur mäßige Regie bei Büchners „Woyzeck“ am Staatsschauspiel Nürnberg

Die Bühne leer, nackt bis auf die Brandmauern. Und nackt der Mann, der auf der Bühne unentwegt im Kreis rennt, ein Tier im Hamsterrad, verfolgt von Stimmen aus dem Zuschauerraum, die sich über ihn lustig machen, ihn vorführen: Woyzeck, eine gehetzte, entblößte, ausgestellte Kreatur, ein Vieh, ein Menschenversuch, ein Laborexperiment am lebenden Objekt.
Georg Büchners Drama Woyzeck im Staatsschauspiel Nürnberg, in einer gewagten Inszenierung von Christoph Mehler, der Büchners Fragment gebliebene Stück, das erst 1913, lange nach dem Tod des Dichters (1813 bis 1837), in München uraufgeführt wurde, gleichsam beim Wort nimmt und in fetzenartigen Szenen, untermalt von einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, auf die kahle Bühne (Bühnenbild: Nele Balkhausen) stellt.
Stefan Lorch spielt diesen „hirnwütigen“, von einer unbarmherzig-zynischen Gesellschaft aus Großbürgern und Militärs in den Wahnsinn und in den Mord an seiner Marie getriebenen armen Teufel, der über eine Stunde lang bis zur physischen Erschöpfung buchstäblich um sein Leben rennt. Moral kann er, von Gesichtern und Halluzinationen wie von Furien getrieben, nicht leisten, verkauft seinen Körper zur viehischen Vivisektion an den „Doktor“ (eiskalt-hämisch gespielt von Jochen Kuhl), schikaniert vom „Hauptmann“ (Pius Maria Cüppers) und gedemütigt vom „Tambourmajor“ (Thomas Klenk), der seine Braut Marie (Julia Bartolome) vor Woyzecks Augen verführt. Bis auf Woyzecks keuchenden Atem dröhnen die Stimmen dieser Gesellschaft nur über Mikrofone aus den Lautsprechern, verdeutlichen die technokratische Herrschaft über die Kreatur Woyzeck, der an dieser „erbärmlichen Wirklichkeit“ verzweifelt – und zu Grunde geht.


Orgiastisches Crescendo


In einem orgiastischen Crescendo, einem infernalischen Veitstanz, endet die Inszenierung, die trotz eindrucksvoller Ansätze und greller Effekte Büchners Sprache viel schuldig und manchmal auch unverständlich bleibt. Und damit ging die Rechnung der Regie offenbar auch für das Publikum nicht auf, das die nur partiell gelungene Provokation mit ebenso heftigen Buhs wie mit begeistertem Applaus quittierte. (F. J. Bröder)

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