Kultur

Dietrich Klinges Figuren brauchen Raum, damit sie mit Ansbachs Architektur korrespondieren können. (Foto: Stadt)

20.08.2015

Elementare Sprache

Dietrich Klinges Skulpturenmeile Ansbach: Im Dialog mit Orten

Skulpturenmeile: Das klingt immer so nach aufgereihter Kunst für den Sonntagsspaziergang. In Ansbach bricht man dieses Jahr mit dieser Tradition. Die neue „Meile“ führt in Kirchen, auf den Friedhof, in den Hofgarten und eine Krypta. 40 Skulpturen sind es insgesamt. Sie stehen im Kontrast zur wohltemperierten barocken Eleganz von Mittelfrankens Bezirkshauptstadt. Auf Dietrich Klinge ist die Wahl diesmal gefallen.
Schon vor fünf Jahren hatte man ihn gefragt, ob er die „Skulpturenmeile machen“ würde. Aber dann kamen erst noch Hörls kleine Kaspar Hausers, zudem wollte Klinge seine großdimensionierten Arbeiten nicht von parkenden Autos zugestellt haben. Sie sollten vielmehr Dialoge mit besonderen Ansbacher Orten eingehen können. Wie etwa vor dem Landgericht, wo jede der sechs Skulpturen für einen bestimmten Charakter oder Wesenszug steht – „wie eben vor Gericht“.
Wenn man herausfinden will, wer diese zuweilen massigen, grobschlächtigen Figuren mit riesigen Brüsten und Schenkeln geschaffen hat, die breitbeinig, manchmal mit überlangen, dann wieder abgeschlagenen Extremitäten an den Sichtachsen der Stadt stehen oder sitzen, fährt man am besten nach Weidelbach. Das liegt am äußersten Ende Westmittelfrankens und ist ein schmuckes Dorf.
Dort hat Dietrich Klinge mit seiner Frau eine alte Mühle umgebaut. Viele alte Holzbalken und -böden – kein Wunder, denkt man und hat Klinges Ansbacher Arbeiten im Kopf. Aber was hier wie dort wie grob bearbeitetes Holz aussieht, ist in Wirklichkeit aus Bronze gegossen – war aber einmal Holz: Denn der 1954 im thüringischen Heiligenstadt bei Eichsfeld geborene Bildhauer, der seit 1999 nahe Dinkelsbühl lebt, macht seine Modelle erst aus Holz. Man kann das gut an einer Ceres nachvollziehen, die noch in seinem Atelier steht. Eine römische Fruchtbarkeitsgöttin, der ein Arm abgeschlagen ist: Sinnbild für die malträtierte Natur von heute. In Weidelbach ist sie noch aus Holz, sogar mit all den angebrannten Flächen. Dann in einem 18 Arbeitsschritte umfassenden Prozess wurde sie in einer Aschaffenburger Gießerei in Bronze gegossen: mit allen Spuren von Stamm und Rinde – täuschend echt. Schon in Ansbach hatte man ungläubig daran herumgeklopft. Ohne Zweifel: Metall!
„Transformation“ ist für Klinge das entscheidende Wort. Nicht nur in seinem eigenen Leben mit dem Umzug in die ländliche Idylle, nicht nur mit der Umgestaltung seiner Skulpturen von Holz in Stahl oder Bronze. Den Weg zu dieser Methode der Verwandlung hat er mit mehrteiligen und mehrmaterialigen Arbeiten begonnen. Jetzt verwandelt er die Geschichte eines Stücks Holz, die Geschichte seines eigenen Lebens in ein ganz gegensätzliches Medium. Das ergibt dann diese optische Täuschung: „Das täuschend echt gemalte Brötchen auf einem Bild kann man ja auch nicht essen“, sagt Klinge.
Einflüsse der afrikanischen Kunst wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts? „Ja, aber höchstens im Prozess der Vereinfachung. Denn die afrikanische Plastik ist ein Fetisch, meine ist ein Gegenüber.“ Dass dieser dialogische Charakter seiner Skulpturenmeile funktioniert, hat Klinge immer wieder in Ansbach beobachtet: „Die Leute reagieren unmittelbar auf meine Arbeiten, lassen sich damit fotografieren und sagen, es sieht so aus, als würde es schon immer da stehen.“
Auf Interpretationsfragen geht Klinge eher unwirsch ein, es gibt auch keine Schildchen oder Infos-Flyer an den Stücken in Ansbach. Aber er erklärt dann doch, dass die schier endlosen Arme und Finger an einer Figur heißen sollen: „Da arbeiten Menschen ohne Anfang und ohne Ende, in einem endlosen Tun.“ Lebensfreude sollen die Skulpturen (Hofgarten) genauso ausdrücken wie die Frage nach dem Tod (Krypta von St. Gumbertus).
Das alles soll sich dem Betrachter möglichst unmittelbar mitteilen. „Wenn sie die Tempel in Ägypten anschauen, ist auch kein Täfelchen dran.“ Aber offenbar wird Klinges Kunst weltweit verstanden: Seine Arbeiten stehen in Skulpturenparks von Florida und Michigan, er hat Sammler in Russland oder Spanien. „Mit meinen Arbeiten kommt jeder Kulturkreis zurecht, sie sprechen eine elementare Sprache.“ (Uwe Mitsching)

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