Kultur

Star am Cello: Sol Gabetta. (Foto: Uwe Arens)

13.06.2016

Emotionale Welten

Das Würzburger Mozartfest beginnt mal mit energischer, mal träumerischer Interpretation

Die Rokoko-Pracht der Würzburger Residenz harmoniert wunderbar mit barocken Klängen, vor allem wenn hochkarätige Kammerorchester musizieren. Zur Eröffnung des diesjährigen Mozartfestes präsentierte sich das Scottish Chamber Orchestra unter dem energisch leitenden, geradezu sportlich antreibenden Clemens Schuldt allerdings als etwas zu markiger Klangkörper. Die Schotten begannen mit der dreiteiligen Ouvertüre zur Tragödie „Olympie“ des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus. Deren tragischer, schwer lastender Auftakt und das düstere, massiv gegebene Ende bereiteten vor auf Mozarts d-Moll-Klavierkonzert KV 466 mit seinem dunklen, heftig akzentuierten Beginn, bis dann Kit Armstrong, diesjähriger artiste étoile des Festivals, introvertiert, mit dramatischer innerer Spannung und energischem Zugriff einsetzte, kraftvoll gebundenen Läufen und schönem Dialog mit dem Orchester aufhorchen ließ.

Beherrschte Triller

Die sehr ausgedehnte Kadenz zelebrierte der 24-jährige Ausnahme-Pianist imposant, mit versonnenen Momenten und einer Auflösung in beherrschten Trillern. Die ruhige Romance lebte vom Kontrast zwischen dem freundlichen Klavier- und dem satten Orchesterklang; Virtuosität war immer unaufdringlich eingebunden, bevor das stürmisch dahin laufende Rondo einen eher analytischen Abschluss bildete, denn Armstrong verstand seinen Part bei aller selbstverständlichen Geläufigkeit stets im Dienst des Aufbaus einer inneren Struktur. Nach der eher lieblichen Einleitung zu Richard Strauss’ Oper „Capriccio“ dann die Es-Dur-Sinfonie Mozarts KV 543, vom Kammerorchester energisch straff, etwas plakativ, mit viel „Bodenhaftung“ im Kopfsatz gegeben, im Andante, dem der große Bogen fehlte, wirkte vieles schwer, bevor endlich im Finale sich mitreißender Schwung trotz immer wieder unterbrechenden Pausen entfalten durfte. Ganz anders der Klang des Kammerorchesters Basel beim zweiten Abend: Warm, sonnig, in edlem, geschliffenen Ton konnte bei Joseph Haydns Sinfonie Nr. 79 F-Dur leuchtendes, inspiriertes Musizieren begeistern, mit lieblichen, fast graziösen Momenten, einem fast gemütlichen Menuett und einem licht schwebenden Finale.

Sol Gabetta triumphiert

Dass bei solchen Partnern die Königin des Cellospiels, Sol Gabetta, in Robert Schumanns Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll nur triumphieren konnte, versteht sich; ihr samtig voller, sinnlicher, variabel gestaltender Celloton erhob sich als seeelenvoller Gegenpol zu den energischen Tutti, durchmaß emotionale Welten, zeichnete große Entwicklungslinien, minderte mit weichem Klang die grellen Einwürfe des Blechs, sang im Duett mit dem ausgezeichneten ersten Cello des Orchesters ausdrucksvoll und begeisterte mit flinken, nie harschen Verzierungen.

Tänzerischer Schwung

Die Es-Dur-Sinfonie Mozarts bildete auch hier den krönenden Abschluss; Giovanni Antonioni, mit weit ausholenden Bewegungen beschwörend leitend, betonte zwar das Kraftvolle, Sieghafte, den energischen Zug, aber im Andante gewann Sonniges im heiteren Dahingleiten Raum, ohne dass hintergründig Dramatisches vergessen wurde, und alles war sinnvoll miteinander verbunden. Das Menuett lief geschwind, nie hastig dahin, und das herrliche perpetuum-mobile-Finale imponierte mit tollem, fast tänzerischen Schwung. In der Mozartnacht wiederum begeisterte das Prager Kammerorchester unter dem jungen, einfühlsam leitenden Marek Sedivý. Die Tschechen begannen musikantisch, fröhlich beschwingt und gut gelaunt mit der Es-Dur-Sinfonia des Mozart-Freundes Frantisek Xaver Dusek, der selbstverständlich die Ouvertüre zum „Don Giovanni“ Mozarts folgte, straff energisch gegeben. Diese unterschwellig bedrohliche Stimmung änderte sich schlagartig bei Mozarts berühmtem Klarinettenkonzert A-Dur KV 622; hier herrschte reinster Wohlklang vor. Zwar schien die Solistin Ludmila Peterková anfangs noch etwas nervös und angespannt bei den flüssig gebundenen Läufen auf der Bassettklarinette, wurde aber immer sicherer. Im Adagio, welches das Orchester voll auskostete, hätte man ihr manchmal etwas mehr Schmelz gewünscht. Doch im Rondo gefiel sie sehr mit geläufiger, lockerer Virtuosität und flexibler Tongestaltung.

Neckische Elemente

Mozarts Haffner- Sinfonie D-Dur KV 385 mit den mächtigen Auftaktakzenten trumpfte dann beherzt auf mit klarem, glänzenden Orchesterklang, hatte im geistreichen Andante neckisch graziöse Elemente, unterhielt im Menuett mit lustigen Gegensätzen zwischen machtvoll und elegant und schloss augenzwinkernd in einem humorvollen, mitreißenden Finale. Nach solch heiterer Einstimmung im Kaisersaal konnte man sich in den Fürstensaal begeben, dort den jugendlich klaren Sopran mit glänzenden Höhen von Laura Verena Incko, souverän begleitet vom Pianisten Kilian Sprau, bei Liedern von Haydn und Mozart genießen, weiterwandern in den Ingelheim-Saal zum Gitarristen Friedemann Wuttke oder sich im Gartensaal betören lassen vom homogenen, in sich bestens abgestuften Spiel des Minguet-Quartetts, das mit einer wunderschönen Meditation über einen tschechischen Choral von Josef Suk träumen ließ, Melancholisches einfing bei einer ganz introvertierten Bearbeitung von Mahlers Rückert-Lied-Vertonung „Ich bin der Welt abhanden gekommen“  und mit den zwei letzten Sätzen von Mozarts Streichquartett d-Moll KV 421 die Besucher beseligt in den Abend entließ.

Vorwärts gedrängt

Gespannt war man aber auch auf das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter dem Barockspezialisten Alessandro de Marchi. Die Musiker begannen temperamentvoll mit tänzerischem Schwung mit der Ouvertüre zu Mozarts „Il re pastore“. Auch in der Orchestereinleitung zu Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 467 unterstrichen die feinen Streicher mit wenig Vibrato das Melodische, bevor dann Herbert Schuch am Steingraeber-Flügel brillant, mit flüssig gebundenem, glänzenden Anschlag einsetzte und dabei die Führung übernahm bei schlüssigen, oft expressiv anmutenden Entwicklungen, stark vorwärts drängte.

Mal furios, mal träumerisch

Das seufzende, klagende zweite Thema wurde mit packend gestalteten Läufen überwunden und in einer mächtig begonnenen Kadenz, die sich melodiös schlicht milderte, entlud sich alles in furioser Bindung. Wunderbar träumerisch, sanft schwebend dann der Mittelsatz, in weiten, großen Bögen, atmend in vollkommener Harmonie zwischen Solist und Orchester, bevor dann alles in sich fast überschlagendem Schwung, lebendig und grandios im Finale endete. Riesiger Beifall mit Bravo und eine fast ungezügelte Lisztsche Tarantella als Zugabe. Als unterhaltsamer, hübscher Ohrwurm vor Mozarts Prager Sinfonie D-Dur KV 504 behauptete sich Rossinis Sonata a quattro für Streicher. Doch Mozarts Werk war dann doch viel gewichtiger mit seinem dramatisch akzentuierten Beginn und den sehnsüchtigen Bläserfiguren; immer wieder löste sich Mächtiges, Gewaltiges auf in Freundlicheres. Auch im sehr ruhigen Mittelsatz wurden Kontraste zwischen düsteren Ahnungen und versöhnlicher Stimmung ausgekostet, bevor das Finale mit strahlendem Schwung und heiter dahin schäumenden „Schnörkeln“ einen packenden Endpunkt setzte. (Renate Freyeisen) Abbildungen:
Clemens Schuldt dirigierte das Scottish Chamber Orchestra. (Foto: Felix Broede)

Marek Sedivy begeisterte mit dem Prger Kammerorchester. (Foto: Ester Havlova) Laura Verena Incko überzeugte mit ihrem klaren Sopran. (Foto: Diana Ola)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.