Kultur

Marco Stickel als Macbeth, umgeben von Hexen. (Foto: H. Dietz)

23.06.2017

Fragwürdiger Balanceakt

Im Sparten übergreifenden „Macbeth“-Projekt am Theater Hof überzeugt nur Hauptdarsteller Marco Stickel

Reinhardt Friese, Intendant des Theaters Hof, ist grundsätzlich stolz auf sein Dreispartenhaus. Das wollte er auch einmal als Regisseur auf der Bühne dokumentieren, indem er Shakespeares Mordorgie Macbeth mit Verdis gleichnamigem Frühwerk kombinierte und der Ballettcompagnie ein paar Szenen spendierte. Das seiner Inszenierung zugrunde liegende Prinzip, nämlich die äußere Handlung dem Sprech-, das innere Geschehen dem Musiktheater zuzuordnen, geht häufig auf. Es gibt Vorausdeutungen, Kommentare und Spiegelungen; auch die Doppelungen funktionieren, wenn der gesprochene Dialog von den Sängern – in italienischer Sprache mit Obertiteln – teilweise wortgleich wiedergegeben wird. Der bei Verdi dominante Chor bekommt mit den beiden Solisten, die den königlichen Heerführer Macbeth und seine Frau verkörpern, eine eigene Guckkastenbühne zugeteilt, die aus dem Bühnenhintergrund nach vorne gefahren werden kann. Auf ihr geht es recht eng zu. Aber es wird sehr ordentlich gesungen, sodass die musikalischen Partien des gut einstudierten Chors, der Lady Macbeth (von Yamina Maamar voller stimmlicher Expressivität eindringlich dargestellt) und von James Tolksdorf in der Titelrolle zu den überzeugenderen Momenten der Aufführung gehören, wozu die präzise musizierenden Hofer Symphoniker unter Roland Vieweg nicht unerheblich beitragen. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack, der nicht nur mit dem dreistündigen Bühnennebel zu tun hat, der zwar die bis auf die Leichenfledderei zu Beginn des Stücks wenig eingänglichen Hexenszenen sinnfällig begleitet, die vielen nächtlichen Verschwörungs- und Intrigenbilder jedoch nicht verständlicher macht. Die Fragwürdigkeit eines allzu großen Teils der Inszenierung liegt hauptsächlich darin, dass Regisseur Friese die Handlung größtenteils in statischen Tableaus darbietet. Stilisiertes, in manchen Passagen affig wirkendes Sprechen strikt nach vorne in den Zuschauerraum und nicht zu den gemeinten Figuren auf der Bühne nimmt dem Spiel alle nötige Dramatik. Diese stellt sich nur dann ein, wenn es im Hause Macbeth zur Sache geht: Die Usurpatorenlady (mit Marieke Kregel eher ungünstig besetzt, da sie die „Wolllust der Macht“ zu wenig zeigt) keift und schlägt wie eine Furie, der Geckengatte posiert und stolziert, dass sich die Balken biegen. Doch Marco Stickel, dessen Macbeth-Verkörperung seine bisher eindrucksvollste Rolle am Theater Hof ist, kann auch anders. In eindringlichen, sprachlich genau gestalteten Monologen reflektiert er die Zweifel an den Weissagungen der Hexen und an den daraus resultierenden Taten. Wortgewaltig hinterfragt er seine eigene Existenz: „Skorpione stechen mir durchs Hirn“. Im Umgang mit dem abgewetzten Ledersesselthron, den er nach dem Königsmord an Duncan zunächst zärtlich liebkost, dann selbstbewusst in Beschlag nimmt und den er, vom Geist des getöteten Banquo heimgesucht, in ein Gefängnis verwandelt, zeigt sich Stickels hohe Schauspielkunst.

Lächerlicher Abgang

Mit ihr rettet er die zwiespältige Inszenierung – nicht vergessen machen kann er aber die lächerlichen Abgänge des soeben ermordeten Königs aus seinem Thronsessel und der selbstmörderischen Lady Macbeth aus der Badewanne, den aus dem Schnürboden unmotiviert auftauchenden, rissigen Kinderkopf und die Stelzengänger, die viel Bühnenbodenstaub aufwirbelnden Tanzpaare und den Schwerterkampf in Wehrmachts- und SS-Uniform. Wie überhaupt die allzu offensichtlichen Anspielungen an Nazi-Deutschland (Hitlerbärtchen, Seitenscheitel, Goebbelsgestik; rote Fahne, Armbinden und Keltenkreuz) verwirren. Die Hexen als „Vorsehung“, Lady Macbeth als Eva Braun? Wenn Malcolm am Schluss im Ledersessel thront, stehen die Mörder schon hinter ihm – auch das war 1933 anders. (Horst Pöhlmann)

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