Kultur

Jenůfa - quietschbunte Hochzeit im letzten Akt. (Foto: Stadttheater Augsburg)

22.09.2014

Frauenleben zum Kotzen

Leoš Janáčeks Jenůfa am Stadttheater Augsburg

Frohe Mienen beim Buffetier: aus der üblichen Doppelstunde wird durch zwei lange Pausen eine drei-Stunden-Jenůfa – Opern-Saison-Eröffnung am Stadttheater Augsburg. Und weil man merkantile Interessen bei dem sonst eher kapitalismuskritischen Regisseur Peter Konwitschny nicht unterstellen kann und mag: Er wollte ganz offenbar den Szenen „aus dem mährischen Bauernleben“ von Leoš Janáček einen episch-balladesken Grundzug geben, die Zeit spürbar werden lassen zwischen Zufalls-Schwangerschaft, Geburt, Kindsmord, Sühne und fast Hofmannsthalscher Ehe-Apotheose. Die Jahreszeiten spielen mit und werden in Johannes Leiackers Drehbühnen-Bild sichtbar: herbstliche Lichtspiele auf dem Grasboden der weiten offenen Bühnenlandschaft, dann ein gefrorener Eispanzer, unter den sich das unerwünschte Kind gut schieben lässt, schließlich Hochzeits- und Frühlingsgefühle. Die zwei Requisiten, die die Handlung bestimmen, Tisch und Bett, bleiben immer in weiter Distanz die gleichen. Hier entwickelt er in dieser nach einem halben Jahr aus Graz übernommenen Inszenierung (in zwei Jahren soll bei Idomeneo Augsburg das ius primae noctis haben) das Schicksal von Jenůfa, viel mehr noch das ihrer Stiefmutter, der Küsterin. So hübsch, blond und gescheit (sie sollte vielleicht sogar Lehrerin werden) dieses mährische Mädel auch ist, dumm und aufgeklärt ist sie in die kurze, unverbindliche Liaison zu Steva gestolpert, einem Strizzi, Hallodri, der mit jeder im Dorf was hat, besonders mit der Branntweinflasche. Und hat natürlich auch gleich ein Kind gekriegt. So ein gottesfürchtiges, fremdbestimmtes Ding bleibt sie bis zum Schluss, nimmt den  trottelig-brutalen, aber dankbaren Laca, der über Schwangerschaft und Mord hinwegsieht, aber nicht über ein lebendes Kind von einem anderen Mann, noch dazu seinem Bruder.

Quietschbunte Hochzeit, die im Chaos endet

   Quietschbunt ist die Hochzeit im letzten Akt, mündet ins Tische umkippende Chaos, als die Kindsleiche gefunden wird, und dann doch in ein überraschend filmreifes Happy end. Kann das bei einem Konwitschny alles gewesen sein, wenn sich der Vorhang unter den Apotheose-Klängen des Augsburger Orchesters schließt? Aber dann bleibt er doch noch einen Spalt breit offen, man fragt sich, man zweifelt – das Schicksal hat für Jenůfa und Laca nur eine verdammt schmale Lücke gelassen.
Dirk Kaftan, früher in Augsburg, jetzt in Graz, kehrt für diese Aufführung nach Schwaben zurück und dirigiert deckungsgleich mit Konwitschnys Regie und Leiackers Jahreszeiten-Bühne ein dichtes impressionistisches Tongewebe, das an Debussy erinnert. Sally du Randt singt die Jenufa verhalten, als würde sie nicht merken, wie das  Schicksal mit ihr umspringt. Für die beiden Brüder hat Konwitschny mit Mathias Schulz und Ji-Woon Kim zwei ins Konzept passende, präzise definierte Typen gefunden. Große tragische Töne und genaue psychische Befindlichkeiten bringt Kerstin Descher ins Spiel: eine Mutter, die für ihre Tochter immer nur das Beste will, auch bei der Aussteuer, die an der Ermordung des Kindes aber psychisch zerbricht und sich am Ende froh in die Hände des Gerichts und seiner Aktenmappe ergibt: sie besonders ist sehens- und hörenswert in diesen doppelbödigen Szenen aus einer Zeit, wo man wegen eines Kindes noch heiraten musste: Frauenschicksale. Auch die neue Braut von Steva kotzt in die Handtasche, als das tote Kind ihres Lovers gefunden wird. (Uwe Mitsching) (Weitere Vorstellungen am 23., 26., 28. 9.)

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