Kultur

Silas Breiding als edler Wilder John mit Nina Steils als seine Mutter im absurd dicken Fat-Suit. (Foto: Arno Declair)

17.05.2018

Futuristische Wellness-Diktatur

„Schöne neue Welt“ im Münchner Volkstheater ist ein schräger, aber nicht konsequent durchgezogener Aldous-Huxley-Rave

Die Zukunft ist ein Techno-Club. Ein schwarzer Dancefloor, hinter dem Dutzende kleiner Scheinwerfer waagrecht ins Publikum blenden, sodass die Akteure im Gegenlicht wie Scherenschnitt-Silhouetten aussehen (Bühne: Camilla Hägebarth). Das Gehopse und Gewinke dieser Party-People wirkt allerdings seltsam gleichgeschaltet: ständig führen sie zu wummernden Bässen eine Art rhythmische Synchrongymnastik auf, irgendetwas zwischen Aerobic und Yoga. Aber schließlich spielt diese Geschichte ja in der futuristischen Wellness-Diktatur, die Aldous Huxley in seinem berühmten Roman Schöne neue Welt (1932) entworfen hat.
Diesen Klassiker dystopischer Sciencefiction brachte der österreichische Nachwuchsregisseur Felix Hafner im Münchner Volkstheater auf die Bühne. Ob sie angestaubt wirkt, Huxleys warnende Vision einer Zukunft, wo alle die Glücksdroge Soma einwerfen und Ringelpiez mit Anfassen erste Bürgerpflicht ist, das hängt natürlich davon ab, was man daraus macht. Anfangs gelingen Hafner tatsächlich tolle Bilder und Choreografien (Vasna Aguilar), die den Eindruck erwecken, die Geschichte aus dem Jahr 2540 sei eine Satire auf unsere Gegenwart.
So sieht Timocin Ziegler als Romanheld Bernhard Marx mit Hut und schwarzer Lackhose ein bisschen wie Michael Jackson aus, gibt das halb renitente, halb duckmäuserische Alpha-Männchen aber eher als verschlurften Melancholiker. Wunderbar eindringlich und präsent auch Julia Richter als die weibliche Hauptfigur Lenina im knallengen Latexröckchen. Dass Jakob Immervoll wiederum als „Weltcontroller“ wie ein betulicher Fernsehliebling der 50er-Jahre auftritt, ist nicht ohne Komik.
Und Silas Breiding gibt den edlen Wilden John als langhaarigen Zausel irgendwo zwischen Jung-Siegfried und Alt-Achtundsechziger. Wenn er mit Krönchen, Schwert und Totenkopf in der Hand bierernst versucht, berühmte Shakespeare-Szenen („Sein oder Nichtsein“) nachzuspielen, sorgt das naturgemäß für Heiterkeit – zumal er nur die Lippen bewegt, während der Text in Form historischer Aufnahmen berühmter Mimen eingespielt wird.
Seine Mutter Linda (Nina Steils) kugelt indes als nacktes Weibs-Monster im absurd dicken Fat-Suit über die Bühne – eine Art Venus von Willendorf zum Gruseln.

Biederes Dialogaufsagen

Schade, dass der junge Regisseur diesen angeschrägten Aldous-Huxley-Rave nicht konsequent durchzieht oder noch stärker ins Groteske hochschraubt. Stattdessen müssen die eigentlich hoch motivierten Schauspieler immer öfter bieder-realistisch Dialoge aufsagen und so die künstlerische Schwäche dieses botschaftslastigen, didaktischen Romans auf der Bühne reproduzieren. Je länger der Abend dauert, umso harmloser wird die Aufführung – und um so stärker erweckt sie den Eindruck, sie sei vor allem für Schulklassen gedacht. (Alexander Altmann)

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