Kultur

In Glitzerfummel und Anzug planschen Cleopatra und Marc Anton (Julia Bartolome und Stefan Willi Wang). (Foto: Marion Bührle)

28.10.2016

Geld, Gier und Begierde

Die Marathon-Inszenierung der "Römischen Trilogie" in Nürnberg zeigt Höhepunkte politischer Rhetorik, geht letztlich aber baden

Über William Shakespeares Tragödie Coriolan schrieb Bertolt Brecht, der sich selbst an diesem Stoff über den römischen Konsul versuchte, er biete eine „Durchleuchtung der Geschichte und ihrer Dialektik“ zwischen Demokratie und Demagogie. Von dieser Sicht auf die Historie ließ sich offenbar auch der Dramatiker John von Düffel leiten, als er den Coriolan Shakespeares und zwei weitere seiner römischen Tragödien, Julius Caesar und Antonius und Cleopatra, bearbeitete, teils neu übersetzte und zu seiner Römischen Trilogie verschmolz.
Jetzt erlebte dieser gewaltige Theaterbrocken am Staatstheater Nürnberg in der Regie von Schauspieldirektor Klaus Kusenberg seine Uraufführung. Gleich zum Auftakt des mehrstündigen Theaterabends proben die Plebejer den Aufstand gegen die römische Herrscherklasse der Patrizier, die sich auf Kosten des Volkes bereichern und es verhungern lassen. Was sich Coriolan, ein Volksverächter und Zyniker der Macht, zunutze macht, dem Volk seine eigenen Vertreter als Volkstribunen zugesteht – aber daraus seinen Vorteil schlägt und an die Macht kommt. „Verachtung“ hat John von Düffel diesen ersten Akt seiner Römischen Trilogie überschrieben, dem als zweiter „Verschwörung“ (die Tragödie Julius Caesar) und als finaler dritter Akt „Verführung“ folgt, in der die tödlich endende (Liebes)Geschichte von Antonius und Cleopatra, des römischen Feldherrn und der ägyptischen Königswitwe, gezeigt wird.

Die Massen manipulieren

Ein historisches Sittenbild also, dessen Gegenwartsbezug nicht nur das Stück, sondern mehr noch die eindrucksvolle, wenn auch streckenweise unentschiedene und halbherzige Inszenierung überdeutlich herausstellt. Das karge, zeitlose Bühnenbild (Günter Hellweg), das vor der düsteren, schwarz ausgeschlagenen Bühne mit ein paar Requisiten auskommt, unterstreicht die Allgegenwärtigkeit der blutigen Machtkämpfe, in denen es um Geld, Gier und sexuelle Begierden geht. Im Anzug, wahlweise im Lederoutfit, manipuliert Coriolan (Stefan Willi Wang als fanatischer Berserker) die Massen und im Designerlook planen Brutus (Frank Damerius) und Cassius (Hubertus Hartmann) die Ermordung des nie auftretenden Caesar. Wenn Regisseur Kusenberg auf die Sprache setzt und Shakespeares Urtext ernst nimmt, gewinnt die Inszenierung auch ihre Höhepunkte, etwa in dem herausragenden Rededuell („Mitbürger! Freunde! Römer!“), das sich Brutus (Frank Damerius) und Marc Anton (Stefan Willi Wang) an der Leiche Caesars liefern. Da erlebt man Glanzlichter politischer Rhetorik zwischen patriotischem Pathos (Brutus) und sarkastischer Ergriffenheit (Marc Anton: „Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann“), mit der der Tyrannenmord gerechtfertigt oder verurteilt wird. Doch dann verfängt sich die Inszenierung in Gefälligkeiten, schmeißt sich mit vordergründigen Effekten ans Publikum heran und bringt sich um ihre, die Zuschauer durchaus in Bann ziehende Wirkung: Bei den Schauspielerinnen dominiert raffiniert ausgestellter und ausgestatteter Sexappeal, den Julia Bartolome im gold-paillettiertem Glitzerfummel als Cleopatra und Adeline Schebesch im blutgetränkten Unterkleid (als im Veitstanz zuckende Wahrsagerin) oder im eleganten schwarzen Mini (als Octavia) zeigen müssen. Dazu lodernde Feuer, viel Bühnennebel und live eingespielte Trommelwirbel und Schlagzeuggewitter, Mini-Monitore mit mystisch verschwommenen Videos, die Aktualität suggerieren: ein zu großen Teilen überflüssiges Bühnenbrimborium, das man sich hätte sparen können. Dem setzt im dritten, in Ägypten spielenden Teil, „Verführung“, ein grünlich schimmerndes Planschbecken die Krone auf, das wahlweise wohl einen Pool, in dem man sich balgt, oder das Mittelmeer symbolisieren soll, über das die „Polit-Flüchtlinge“ aus Rom gekommen sind. Am Ende färbt er sich, wie in der Seeschlacht von Lepanto, rot vom Blut des tödlich getroffenen Antonius, der darin in den Armen von Cleopatra stirbt.

Peinlichkeit umschifft

Gottseidank umschifft die Inszenierung die Peinlichkeit des – dennoch wohl von so manchen Zuschauern assoziierten – Schlauchboots, das auch noch die Flüchtlingskrise instrumentalisiert hätte. Da geht eine bis dahin eindrucksvolle Inszenierung buchstäblich baden, die gleichwohl mit viel Beifall bedacht wurde. (Fridrich J. Bröder)

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