Kultur

„Born to be wild“: Die Alten (Pius Maria Cüppers, Josephine Köhler) zeigen, was sie noch drauf haben. (Foto: Marion Bührle)

20.05.2016

Gesang und Gesabber

"Forever young" ist am Staatstheater Nürnberg ein umjubelter Bühnenspaß

Wenn dereinst die Theater leer stehen und die multimedialen Bildschirme den Bühnen den Garaus gemacht haben werden – warum sollte man sie dann nicht in Altersheime für alt- und ausgediente Schauspieler umwandeln? Ewig jung fühlen sie sich sowieso, denn ihr Leben lang schlüpften sie als junge Schauspieler in alte und als alte in junge Rollen. Ein Theatertraum also, den der Schweizer Autor und Bühnenmusiker Erik Gedeon in das, seit seiner Uraufführung 2001 am Thalia Theater Hamburg, inzwischen zum Kultstück avancierte Songdrama Ewig jung goss, das seit 15 Jahren in Hamburg en suite gespielt wird. Jetzt kam es, vom Publikum stürmisch gefeiert, am Staatstheater Nürnberg in der Inszenierung von Kathleen Draeger heraus. Josephine Köhler, Ruth Macke, Bettina Ostermeier, Marco Steeger, Frank Damerius, Pius Maria Cüppers und Elke Wollmann sind ein glänzend gelauntes Ensemble, das sich selber spielt.

Die Sau raus lassen

Altersbedingt wird auf der Bühne, in vertrauter Umgebung also, wo sich die vergreisten Insassen der theatralen Seniorenresidenz allmorgendlich nach dem Frühstück einfinden, wenig gesprochen bzw. genuschelt – dafür aber umso lauter gegen die Demenz angesungen. Die grauen Grufties leben bei Gesang und Gesabber sichtlich auf, lassen mit obszönen Sottisen die Sau raus oder alle Hüllen und Hemmungen oder sich selbst fallen, wenn Krückstock, Gehhilfe oder Rollator den wackligen Gebeinen auch nichtmehr auf die Beine helfen. Man erinnert sich an alte Zeiten, Rollen und Auftritte, auch an Kollegen, die längst tot sind oder gar – wie im Falle des derzeitig noch amtierenden Schauspieldirektors Klaus Kusenberg (großer Lacherfolg) – als Urne auf dem Klavier stehen. An dem waltet die einstige Bühnenmusikerin des Nürnberger Theaters, Frau Ostermeier (Bettina Ostermeier) ihres tattrigen Amtes und unterlegt musikalisch die Oldies und Ohrwürmer, Hits, Songs und Lieder, an die man sich, wenn auch nicht mehr ganz textsicher, noch erinnert. Es ist ein Liederabend, der die nostalgisch gestimmten Zuschauer zum Mitsingen animiert – von Buona Sera Signorina über Born to be wild, Sex Bomb und dem Titelsong Forever young bis We shall overcome, das zum Finale die Zuschauer und vor allem die offenbar zahlreich vertretenen Alt-68er seliger Revoluzzer-Zeiten eingedenk, anstimmen. Wenn es gar zu rührselig zu werden droht, holen akustisch und olfaktorisch wahrnehmbare Flatulenzen oder ein Asthma-Anfall mit sicht- und hörbarem Auswurf die Seniorenschauspieler auf der Bühne und die Zuschauer im Saal wieder in die gespielte Wirklichkeit des Alterns und Sterbens zurück. Es wird ernst, klassisch und besinnlich und Bettina Ostermeier spielt auf dem Flügel den Festmarsch aus Wagners Tannhäuser. Oder Herr Cüppers (Pius Maria Cüppers, Schauspieler und gelernter Zauberer) flicht mit zitternden Händen das eine oder andere Zauberkunststück ein, wenn ihm nicht gerade die künstliche Hüfte einen Strich durch die clowneske Rechnung macht. Dem herrlichen Klamauk setzen das Bühnenbild und die Kostüme (Franziska Isensee), vor allem aber die phantastischen Masken (Helke Hadlich) und grotesken Frisuren (Dirk Hirsch) die Krone auf. Der burleske Liederabend wird zum stürmisch umjubelten Bühnenspaß, der das Zeug hat, zum Hit der auslaufenden und wohl auch der nächsten Spielzeiten zu werden. (Fridrich J. Bröder)

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