Kultur

Auch wenn der gläserne Vorbau und die regnende Wolke Moderne signalisieren: Das Gebäude, in dem sich das Kemptener Theater befindet, wurde urkundlich bereits 1353 erwähnt – als Salzstadel. Laiendarstellern diente es erstmals im 17. Jahrhundert als Bühne. Im 19. Jahrhundert wurde es nach der Gründung einer Theatergesellschaft offiziell zum Stadttheater umgebaut – und 2007 umfassend modernisiert. (Foto: TIK)

08.10.2010

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Nikola Stadelmann stemmt ihre erste Saison als Intendantin des Theaters in Kempten

Das Touristen-Ehepaar ist erschrocken zur Seite gesprungen, rubbelt sich die Wasserspritzer auf den Jacken trocken und hat die Augen gen Himmel gerichtet. Der Blick bleibt hängen an einer Wolke aus festem Material, die es zu jeder halben und vollen Stunde regnen lässt – am Kemptener Theaterplatz. Das Kunstwerk, eine Wolken-Skulptur des Künstlers Stephan Huber, gehört als pfiffiger Brunnen längst zum vor drei Jahren neu gestalteten Theater in Kempten (TiK).
Die etwas andere Umsetzung eines Brunnenbaus ist symptomatisch für die Lage des Theaters in der größten Stadt des Allgäus. Auch inhaltlich gehen sie dort seither einen anderen Weg. Wo zuvor ausschließlich die gängigen Tourneetheater ihre Lastwagen vorfahren ließen, gibt es nun Themenbereiche, Eigenproduktionen, Tanztheater-Projekte, ein Kinder-Programm oder Gesprächsrunden.
An der Schaltzentrale sitzt pünktlich zur neuen Spielzeit mit der künstlerischen Direktorin Nikola Stadelmann eine Frau. Das ist zwar in der Welt des Theaters keine Sensation mehr – deutlich in der Unterzahl sind die Intendantinnen in diesem Land aber schon.
„Ich habe lange überlegt, ob ich mir das antun soll“, verrät Nikola Stadelmann, die seit drei Jahren als leitende Dramaturgin am TiK arbeitet. Inzwischen sagt sie: „Ich wollte den eingeschlagenen Weg unbedingt weiterführen. Es macht sehr viel Spaß.“ Nikola Stadelmann trat die Nachfolge von Peter Baumgardt an, der im vergangenen Frühjahr die Koffer packte, weil die Stadt nicht auf seine Forderungen einer Etat-Erhöhung des Theaters eingehen wollte. Ganz harmonisch lief dieser Stabwechsel nicht über die Bühne. Die Kommunikation zwischen dem alten Direktor und seiner Nachfolgerin tendierte zum Schluss gegen Null. Baumgardt-Freunde machten zudem öffentlich Stimmung gegen Stadelmann.
An diesem Vormittag sitzt sie mit laufender Nase und einem Taschentuch in der Hand am Schreibtisch ihres Büros. Das könnte ins Bild passen: Die verschnupfte Direktorin am neuen Arbeitsplatz. Ist es so? „Nein“, sagt sie, „was zuletzt war, ist Schnee von gestern“.
Nikola Stadelmann will nach vorne schauen und hat sich vorgenommen, mit einem Etat von knapp einer Million Euro das Maximum herauszuholen. Da sei einerseits das Ziel, jene Theater nach Kempten zu lotsen, die einen renommierten Namen besitzen: das Staatstheater Nürnberg zum Beispiel oder das Theater an der Ruhr (Mülheim).
Zum anderen will sie Eigenproduktionen stemmen. Kempten verfügt zwar über kein eigenes Ensemble. „Wir haben aber ein gutes Netzwerk mit Leuten, die wir buchen können.“ Konkret heißt das: Für die Uraufführung Match Point am 20. Oktober, einem Tanztheater von Jochen Heckmann, mit dem Stadelmann seit Jahren eng zusammenarbeitet, hat das TiK Darsteller aus München und Augsburg verpflichtet. Regelmäßige Treffen gibt es seit geraumer Zeit in Augsburg – die Schlussproben starten dann am 10. Oktober in Kempten. „Mit solchen Produktionen“, ist sich Stadelmann sicher, „können wir Akzente setzen und unsere Verwurzelung hier zeigen“.
Ein renommiertes Stadttheater will sie auf Dauer schaffen, das zudem auf den Nachwuchs achtet. Zwei Strategien, die sie verfolgt: Zum einen geht sie eine Partnerschaft mit dem Kinder- und Jugendtheater des Landestheaters Tübingen und Regisseur Michael Miensopust ein. Zum anderen hat sie Rektoren, Lehrer und Schüler der Stadt animiert, im Rahmen von Schultheatertagen ein Kulturprojekt auf die städtische Bühne zu bringen. „Die Resonanz darauf“, sagt sie, „ist sehr erfreulich.“
Es scheint, die künstlerische Direktorin ist an ihrem neuen Arbeitsplatz angekommen. Trotz verschnupfter Nase an diesem Nachmittag. (Freddy Schissler)

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