Kultur

Ausschnitt aus der Randillustration im „Breviarium Augustanum. Pars aestivalis“, 1493 von Erhard Ratdolt in Augsburg gedruckt. (Foto: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg)

19.05.2017

Göttliche Kunst

Das Diözesanmuseum St. Afra in Augsburg zeigt frühe Druckwerke aus der Schwabenstadt

Beides hat aufs Engste miteinander zu tun: Reformation und Buchdruck. Das eine feiert dieses Jahr 500 Jahre, das andere 50 Jahre mehr. Denn in Augsburg ist schon fünf Wochen nach Meister Gutenbergs Tod das erste gedruckte Buch erschienen – noch vor Nürnberg, Paris oder Rom. Den Grund gibt die Jubiläumsausstellung im Augsburger Diözesanmuseum St. Afra auch gleich mit an: In Augsburgs Bibliotheken gab es genügend Textvorlagen, dazu ausgebildete Leute, die Setzer und Korrektoren werden konnten, auch Kapitalgeber und schließlich Menschen, die Bücher lesen und sie vor allem bezahlen konnten. Augsburg macht Druck heißt die Ausstellung mit 60 Inkunabeln („Wiegendrucken“). „Druck“ ist zweideutig zu verstehen: Es geht auch um den Druck, den die neue Technik auf gesellschaftliche, nicht nur religiöse, Veränderungen, ausübte, und die sich ohne den Buchdruck nicht so schnell und nachdrücklich hätten verbreiten können. „An einem Tag druckt er mehr als sich in einem Jahr schreiben lässt“, zitiert die Schau den Humanisten Campanus 1475 über einen deutschen Drucker in Rom. Nürnberg war Augsburg nur in einem Punkt voraus: Es hatte die erste Papiermühle (seit 1380). Augsburg konnte seinen ersten Platz beim Drucken (1468) auch nur ein Jahr lang halten, dann folgte der fränkische Konkurrent. Aber für die gegenwärtige Ausstellung reichen die Augsburger Bestände aus dieser Zeit vollauf: Staats-, Stadt- und Universitätsbibliothek, auch das Diözesanmuseum selbst hüten genügend gedruckte Schätze, um eine solche Schau ansehnlich bestücken zu können.

Taschenbücher und Wälzer

Wie ein gedrucktes Buch zustande kommt, zeigt ein Blatt aus dem Lyoner Totentanz gleich zum Auftakt der Ausstellung. Man sieht den Setzer mit Setzkasten, die Druckerpresse mit dem Ballenmeister, schließlich den Buchhändler. Die maßgeblichen Macher sind namentlich bekannt: Der Drucker war Günther Zainer aus Augsburg; sein Betrieb stand für schnelle Erfolge mit Drucken in der Volkssprache, mit Bibeldrucken – in beidem war Augsburg führend. Auch so etwas wie ein Taschenbuch gab es schon: von 1495 ein lateinisches Wörterbuch und ein Lehrwerk zur Redekunst. Die Vitrinen von St. Afra zeigen auch die ganz dicken Wälzer in Leder wie die Etymologie des Isidorus Hispalensis von 1472, gedruckt von Zainer: ein grandioser Band mit der ersten gedruckten Weltkarte.
Prächtig geht es weiter von Vitrine zu Vitrine. Man sieht auch einen Vorläufer von Hape Kerkelings Pilgertagebuch nach Santiago de Compostela: Johannes de Mandevilles Reisebeschreibung der Pilgerwege nach und in Jerusalem. Er zählt die dortigen Spitäler auf, beschreibt genau, wie „unseres lieben herren tempel“ mit „pley“ gedeckt ist und wie man zum „heylig grap“ findet (1492). Aus dem gleichen Jahr schlägt die Ausstellung die farbigen Abbildungen einer Kreuzzugschronik auf, in der das „Deus lo vult“, das Kreuzzugsgelöbnis von Clermont-Ferrand, zu sehen ist. In einer halben Stunde kommt man da in Augsburg höchstens zwei Vitrinen weit. Denn der Charme der Ausstellung und ihrer Inkunabeln erschließt sich erst beim Lesen und Entziffern im ausstellungstechnisch bedingten matten Licht. Es sind ja auch die schönsten Bildseiten aufgeschlagen. Nicht nur die hochherrschaftlichen Szenen (Papst Martin V. verleiht 1418 die Goldene Rose an König Sigismund), sondern auch die aus dem täglichen Leben: zum Beispiel den Pastetenverkauf frisch aus dem fahrbaren Ofen beim Konzil von Konstanz.

Erotisches und Erbauliches

In der Ausstellung wird vom Ende des 15. Jahrhunderts her das ganze Mittelalter anschaulich aufbereitet: Die Ungarnschlacht von 995 ist in Augsburg natürlich von besonderem Interesse – allerdings sehen die Ritter aus wie zur Druckzeit 1488. Es musste ja auch nicht immer gleich die ganze Bibel sein, die da gedruckt wurde: Es gibt Bände zur „Neuen Ehe“, Marienleben und Heilsgeschichte, Historienbibeln und den Ratgeber, wie man ein frommer Christ wird. Gedruckt wurde alles: Unterhaltsam-Erotisches wie das Decamerone des Boccaccio, die Geschichte der Kreuzzüge und die Fabeln des Äsop. „Keine Kunst auf der Erde ist würdiger, keine rühmenswerter, keine nutzbringender oder göttlicher und heiliger“, sagte 1488 der Ulmer Dominikaner Felix Fabri über den Buchdruck. (Uwe Mitsching) Information: Bis 18. Juni. Diözesanmuseum St. Afra, Kornhausgasse 3, 86152 Augsburg. Di. bis Sa. 10-17 Uhr, So. 12-18 Uhr. www.museum-st-afra.de

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