Kultur

Angefangen hat die Geschichte des Instituts für moderne Kunst mit sechs Aktenordnern - inzwischen werden Zigtausende von Dokumenten archivalisch betreut, ständig werden es mehr. (Foto: dpa)

09.10.2017

Gralshüter der Kunst

Nürnberger Institut für moderne Kunst feiert 50. Geburtstag

Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Gelehrter - Joseph Beuys war ein Mann mit vielen Talenten. Aber wer weiß, dass der im Jahr 1986 verstorbene Ausnahmekönner auch ein großer Kochkünstler war? Manfred Rothenberger weiß es - und hat es schwarz auf weiß. "Beuys, Professor an der Akademie Düsseldorf, zeigte sich erstaunten Gästen des Restaurants in der Altstadt als Meisterkoch", heißt es in einem Presseartikel von 1968 - und weiter: "Das Menü, das er nach zweistündiger Vor- und Brutzelarbeit servierte, hatte den Namen "Prädikat gut". Es bestand aus Crêpe-Suppe, Schweinshaxe mit gedämpfter Schlangengurke, zum Dessert Kaffee und Kokosnuss. Die Gäste, darunter viele Künstler, sparten nicht mit Appetit und Beifall." Das Zeitdokument über Beuys' kulinarisches Wirken hütet das Institut für moderne Kunst Nürnberg, das in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. In den prall gefüllten Regalen der Einrichtung lagern inzwischen rund 24.000 Dossiers zu namhaften und weniger bekannten zeitgenössischen Künstlern. Dazu kommen 600.000 Publikationen und Presseausschnitte zur Kunst nach 1945 und "graue Literatur" - also Flyer, Plakate und Einladungskarten zu Ausstellungen, die kaum eine andere Einrichtung in Deutschland sammelt. Jedes Jahr griffen auf die Bestände rund 1000 Nutzer zu - natürlich Künstler, Kuratoren und Kunsthistoriker, aber auch Lehrer, Schüler und Studenten, berichtet Rothenberger, der Direktor des Instituts. Er schwärmt von der Sammlung. "Das ist ein Riesenschatz." Tatsächlich ist das Institut mit Sitz im Neuen Museum Nürnberg so etwas wie der Gralshüter unter den Kunstbibliotheken in Deutschland. Es gebe bundesweit keine andere Einrichtung, die "mit einer solchen Konsequenz" Presseausschnitte zur Gegenwartskunst sammle, sagt Anne Thurmann-Jajes, Sprecherin des Arbeitskreises Kunstarchive. Gerade für die Forschung sei das eine "wunderbare Quelle." Der Nürnberger Institutschef Rothenberger drückt es so aus: "Wir machen hier praktisch eine Recherchearbeit, die es den nächsten Generationen ermöglicht, Kunstgeschichte zu schreiben." Dabei komme Presseausschnitten eine entscheidende Rolle zu. "Die Zeitung ist ja viel näher am Tagesgeschehen dran als ein Kunsthistoriker, der sich nach 20 Jahren mit einem Zigarillo im Mund zurücklehnt und sagt: "Jospeh Beuys hat dies und jenes gemacht." Hier spürt man, wie die Künstler provoziert haben oder wie schwierig und klein deren Anfänge oft waren." Gegründet wurde das Institut von Dietrich Mahlow, einem umtriebigen Kunsthistoriker, den Rothenberger als "ziemlich skurril" beschreibt. Mahlows Idee: Die in den 1960er Jahren eher als Spielwiese der Bildungsbürger verschriene Gegenwartskunst zugänglicher zu machen. Die Anfänge waren bescheiden. In einem Miniraum in der historischen Nürnberger Kaiserburg lagerten in einem Regal zunächst 30 Ordner - mit Informationen zu den damals angeblich wichtigsten 30 Künstlern, wie Rothenberger berichtet. Mittlerweile kämen seine rund zehn Kollegen kaum mit der Arbeit nach, das Institut platze aus allen Nähten. Ständig sichten Experten im Institut bis zu 20 wichtige Tages- und Wochenzeitungen und etwa 50 Kunstmagazine im deutschsprachigen Raum nach relevanten Beiträgen. In jeder Ecke sitzen "Schnipsler", die die Artikel ausschneiden, mit säurefreiem Kleber auf Papier bannen und in Mappen heften. Inzwischen setzt das Institut aber auch verstärkt auf Digitalisierung: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördere ein Pilotprojekt, bei dem seit Anfang 2015 die Presseauschnitte schrittweise digitalisiert und im internen Online-Katalog hinterlegt werde. Im Netz sei die Sammlung aber nicht frei zugänglich, da die Urheberrechtsgesetze dies nicht zuließen, bedauert Vizedirektorin Kathrin Mayer, die das Archiv leitet. Um in die Institutsannalen einzugehen, muss ein Künstler beileibe kein Großer sein. Sobald drei Archivalien zu einer Person vorlägen, etwa ein Presseausschnitt und zwei verschiedene Einladungskarten zu einer Ausstellung, werde ein Dossier angelegt, erklärt Mayer. Der Künstler finde sich dann in einer Datenbank und sei so recherchierbar. Oft fragten ihn Leute, ob sich aus dem Archiv herauslesen lasse, ob oder wie jemand berühmt werde, erzählt Rothenberger - und antwortet gleich selbst: "Keine Ahnung. Und außerdem: Wer jetzt berühmt ist, ist vielleicht in 20 Jahren vergessen." Eine Wertung der Künstler nehme das Institut bei der Auswahl nicht vor. Gleichwohl müsse eine gewisse Professionalität erkennbar sein. "Gefällige Gebrauchskunst, der man ansieht, dass es eher Hobbykunst ist - da lassen wir die Finger weg." Die Dokumentation der Gegenwartskunst ist nicht das einzige Standbein des Instituts. In Zusammenarbeit mit Künstlern bringt es Bücher heraus und organisiert jährlich acht bis zehn Ausstellungen. Noch wird das Institut vor allem vom Freistaat Bayern, dem Bezirk Mittelfranken und der Stadt Nürnberg getragen. Das nächste große Ziel sei aber Bundesförderung, sagt Direktor Rothenberger. "Nun geht es darum, Berlin klarzumachen, dass wir seit 50 Jahren nationale Kunstdokumentation betreiben." (Bernard Darko, dpa) Abbildung:
Manfred Rothenberger leitet das Institut für moderne Kunst. (Foto: dpa)

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