Kultur

Walter Hess, Oliver Mallison, Brigitte Hobmeier, Annette Paulmann und Max Simonischek (v.l.). (Foto: Judith Buss)

06.02.2015

Gretchen im Kerker

Friedrich Schillers "Maria Stuart" an den Münchner Kammerspielen

Schillers Maria Stuart an den Münchner Kammerspielen, am Anfang versteht man so gut wie nichts – sowohl akustisch, als auch inhaltlich. Die Schauspieler rattern Schillers Blankverse nämlich in einem atemlosen Leierstakkato runter, als wären sie Pennäler aus der Feuerzangenbowle, statt Spitzenkräfte von den Münchner Kammerspielen. Ist das Absicht, soll hier vielleicht ein jambisches Gemetzel an der Sprache intoniert werden? Mitnichten!
Auch zu sehen ist erst eher wenig, denn die Szene spielt im düsteren „Gefängnis“, einem kantigen Quaderkasten, der an schallgedämmte Tonstudios erinnert, wo Maria Stuart, Königin von Schottland, seit Jahren festgehalten wird: Durch ihre Gegenspielerin Elisabeth, die Königin von England, als deren Palast das gleiche Tonstudio-Verließ fungiert, nur in hellerer Beleuchtung – weil hier eben alle Gefangene in den Mechanismen der Macht und des Standes sind.

Eine Lachnummer im laubfroschgrünen Outfit

Mit Büßerhemd und kurzgeschorenem Haar sieht Maria jedenfalls aus wie Gretchen im Kerker – ehe sie bei der Begegnung mit Elisabeth dann im signalroten Walle-Kleid zur klassizistischen Zicken-Attacke bläst. Die Lords hingegen, in hochgeschlossenen schwarzen Anzügen und weißer Halskrause, stochern mit goldenen Löffeln in Desserts herum, und nur der dauerplappernde französische Gesandte (Vincent zur Linden) ist im laubfroschgrünen Outfit eine Lachnummer.
Schade, dass Andreas Kriegenburg diesmal nicht mehr als ein paar hübsche, eher disparate Einfälle und die lustigen Kostüme von Andrea Schraad auffährt. Hat er in letzter Zeit vielleicht zu viele Opern inszeniert? Ist diesem eigentlich so genialen Regisseur die anarchische Spiellust eingerostet, die in der Oper notwendig an die Grenzen der Musik stößt?
Wer sich von Kriegenburgs Maria Stuart einen herausragenden Abend erwartet hatte, sah sich leider enttäuscht. Denn zu sehen gab’s den leicht holprigen Versuch, altväterliches Erhabenheits-Theater wiederzubeleben, der zwar meist die konzentrierte Spannung des Texts hält, aber statt einer zupackenden Interpretation bloß biederes Retro-Design mit Pathos-Geschmetter bietet.
Ein wohltuender Farbkleks, auch im übertragenen Sinn, ist an diesem Abend immerhin die großartige Annette Paulmann als Elisabeth von England in der kanariengelben Tudor-Robe. Unter dem bodenlangen Kleid trägt sie vermutlich hohe Kothurne, denn sie scheint all die Lords aus ihrem Staatsrat um Haupteslänge zu überragen. Gelegentlich knutscht diese „jungfräuliche Königin“ ganz handfest mit ihrem Liebling Lord Leicester (Oliver Mallison) herum, aber vor allem traut sich die Paulmann, kleine Brüche in ihre buchstäblich staatstragende Rolle einzubauen, wenn sie etwa in drolliges Gepruste ausbricht.
Erst durch solche zarten Verfremdungen wird sie zur nuanciert-lebendigen Gestalt, die sich von den seelenlosen Aufsagepuppen um sie herum unterscheidet. Darum gewinnt ihre Figur als einzige in dieser Aufführung authentische Tragik. Nicht einmal Brigitte Hobmeier in der Titelrolle kann da mithalten: Das schillernd-verfließende Charisma, das diesen Bühnen- und Filmstar sonst auszeichnet, kommt bei ihrer Maria Stuart nicht zur Entfaltung, weil die Hobmeier sich im Versuch, traditionelles Mimenhandwerk zu zelebrieren, selbst zu sehr einschränkt. (Alexander Altmann)

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