Kultur

Sebastián Arranz als „Yoga-Yannis“ in „Das große Wundenlecken“. (Foto: Kai Wido Meyer)

27.09.2016

Hintersinnig-hirnrissiges Spektakel

„Das große Wundenlecken“ am Theater Augsburg

Während die Herren Tsipras und Varoufakis mit ihrem süffisant-provokativen Gehabe schon längst nicht mehr die Talkshows aufmischen, beschäftigt sich das Theater Augsburg mit der Uraufführung von Das große Wundenlecken des deutsch-griechischen Autors Gerasimos Bekas schon wieder mit unser aller Griechenlust und -frust. Ob die Revue, Collage, Show, wie immer man das hintersinnig-hirnrissige anderthalbstündige Spektakel nennen mag, über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgen wird, sei bezweifelt. Dafür hat der Autor zu viel lokale Würze in diesen Dampfkessel hineingerührt, dessen Deckel ständig in die Luft zu springen droht. Regie führt die Israelin Sapir Heller, die sich auf ein putzmunteres und Fitness-Studio gestähltes Ensemble stützen kann. Als Anführer und esoterisch schwer beschädigter Sekten-Guru will Sebastian Arranz als „Yoga-Yannis“ mit „Marmor-Yoga“ seine Adepten in das Mysterium des alten Griechenland und damit zugleich in die Mitte ihres irgendwie verquarkten Ichs zurückführen. Als da sind: Jessica Higgins als Henrike und Marlene Hoffmann als Artemis, zwei extrovertierte Wellness-Schwalben, denen schrille Ausbrüche und larmoyantes Gesäusel gleichermaßen zu Gebote stehen. Dazu Anton Koelbl als armer Hund Walter, der bei all diesen pseudoreligiösen Exerzitien schon mal schwer ins Schnaufen kommt.
Vom Sehnsuchtsort Griechenland geht die Reise jedoch weiter quer durch das Europa der Gegenwart und Vergangenheit und führt immer wieder in die Lechmetropole, die, wer hätte das vermutet, in einer direkten „mentalen Achse“ mit Athen verbunden ist. Die Gräueltaten der deutschen Soldateska in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs, der Besuch des Führers im Theater Augsburg inklusive der Jubelorgien der Bevölkerung, der Feminismus, die Gender-Debatte, Noah samt Arche und Familie, die Militärdiktatur in Griechenland und, wenn wir schon dabei sind, in Argentinien, denn der Schauspieler Arranz kommt von dort, ein Löffelchen Zivilisationskritik hier, ein Löffelchen Theatersanierung da, ein Schluck „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens selig, ein Häppchen „Akropolis Adieu“ von der unsterblichen Mireille, viel Griechenlandwerbung und Griechenlandtourismus – alles muss raus. Auf der Strecke bei dem Stück bleibt der rote Faden und mit ihm gelegentlich auch die Sprachdisziplin, nicht zuletzt, weil Autor und Regie ihr Tun bis zum Rand der Premiere als „work in progress“ verstanden haben. Und nachdem das Ensemble die Speisekarte des Griechen von nebenan rauf und runter verlesen hat, ist Schluss. Viel Applaus und gemischte Gefühle im Publikum. (Hanspeter Plocher)

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