Kultur

Mark Padmore ist in dieser Saison "artist in residence" beim BR Symphonieorchester. (Foto: Marco Borgrewe)

24.10.2016

Höllenpein und Seufzer

Der Ausnahmetenor Mark Padmore begeistert im Münchner Prinzregententheater

„I’m not the guy for an aria-gala“, sagt Marc Padmore beim ersten „Nach(t)isch“, den das BR-Symphonieorchester seinem Publikum anbietet. Aber er ist einer der besten Tenöre für Bach und Britten – das waren auch die Schwerpunkte für den gestrigen Abend im Münchner Prinzregententheater. „Artist in residence“ beim BR ist Padmore in der Saison 2016/17 mit insgesamt fünf Konzerten. Das Padmore-Porträt im Prinzregententheater bietet jedem eine Chance: dem Rundfunk, sein englisches Repertoire zu ergänzen und das neue Ensemble („Accademia giocosa“) erneut zu präsentieren, dem Tenor Padmore, das vorzustellen, was er am liebsten mag und am besten kann: eine Mischung aus dem Sündenlast-Grau des beginnenden Oratorienherbstes und aus edel schimmernden romantischen Rückerinnerungen – nahezu alles mit der wunderbar wandlungsfähigen Stimme dieses Ausnahmesängers, der in den südenglischen Provinz wohnt und auf allen wichtigen Weltstadtbühnen und –konzertpodien steht. Mehr als zwei Wochen allerdings will er nicht von zuhause fort sein. Mit „giocoso“ hatte die erste Hälfte des Konzerts nichts zu tun. „Erfreulich“ spielte zwar das Barockorchester mit ersten Kräften der BR-Symphoniker, aber mit Jan Dismas Zelenkas Lamentationes treffen Padmores Klage-Vokalisen schier den ganzen Jammer dieser Welt. Genau wie danach die vielen Farben der Kantaten von Telemann und J. S. Bach: kein dahinströmendes Psalmodieren, sondern ein Äußerstes an vielfältigem Ausdruck. Kein Wunder, dass der Bayerische Rundfunk Padmore schon früher für seine Referenz-Aufnahmen und –einspielungen geholt hat: War-Requiem, Schöpfung, Missa Solemnis, und Padmores tenorale Spannweite kann auch jetzt die stilistischen Unterschiede der drei Barockkomponisten sicher treffen. Bis hin zu dem scharfzüngigen Ton von Bachs „Ich armer Mensch, ich Sündenknecht“ – und das in bestem Deutsch. Klangrede bedeutet bei Padmore sinnfälligste, pointierte  Artikulation, glasklare Intonation. Da klingt diese Stimme denn wirklich nach Höllenpein oder müdem Seufzen. Das alles findet seine Fortsetzung auch bei Benjamin Brittens berühmter „Serenade“ für Tenor, Horn und Streicher op. 11. Rund 40 Mal habe er die schon gesungen, wahrscheinlich kann man sie nicht besser hören. Alles wird aus der Sprache der verschiedenen Gedichte heraus entwickelt: Das wird nur ein „native speaker“ so können. Zusammen mit einer  BR-Kammerorchesterauswahl  unter Duncan Ward und dem exzellenten Hornisten Carsten Carey Duffin aus den Reihen des BR-Symphonieorchesters werden die sechs Gedichte allesamt zu „letzten Liedern“. Und an die von Richard Strauss (fünf Jahre später komponiert) darf man da tatsächlich denken. Padmore singt diese Melange aus Romantik, Jugendstil, Morbidität und Nazarenerfarben mit auftrumpfender Virilität und ersterbendem Piano so eindringlich wie nur eben möglich. Am Ende ein „Sonnet“, das verglimmend wie „Sunset“ klingt. Frenetischer Beifall für alle Mitwirkenden und für einen Ausnahmesänger, der bekennt: „Ich singe ein Repertoire, das zu meiner Stimme passt. Und die Leute würden mich wahrscheinlich gar nicht mit Wagner oder Verdi hören wollen…“ Nächste Gelegenheit, ihn in einer seiner Paradepartien zu hören: am 23./24. März 2017 in Bachs „Johannes Passion“ unter Herbert Blomstedt. (Uwe Mitsching)

Kommentare (1)

  1. Gisa am 25.10.2016
    Genauso wars. Einfach toll.
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