Kultur

Die Petersburger Society will sich von dem neuen Star porträtieren lassen: Peter Hoare als Tschartkow, Talia Or als Lisa, David Stout als Nikita. (Foto: Forster)

06.08.2010

Hype um den Kunst-Zwerg

Westliche Erstaufführung von Mieczyslaw Weinbergs „Das Porträt“ in Bregenz

Wie eine neue Insel im Bodensee: die Entdeckung des in Moskau in der so genannten inneren Emigration lebenden polnisch-jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg (1919 bis 1996) bei den Bregenzer Festspielen überrascht weiterhin. Nach der sensationellen szenischen Uraufführung des KZ-Musikdramas Die Passagierin wollte Intendant David Pountney auch die skurril-abgründige Seite Weinbergs anhand der Vertonung einer Gogol-Novelle vorführen: Das Porträt im Bregenzer Kornmarkttheater. Da will ein Maler ein Star und reich werden. Obwohl alles im Kostüm des zaristischen St. Petersburg spielt, legt das Werk die Problematik und Fehlentwicklungen der aktuellen Kunstszene entlarvend offen. Da erwirbt der hungernde Maler Tschartkow ein geheimnisvolles Porträt, dessen stechender Blick ihm zum bedenkenlosen Handlungsimpuls wird. Im Bildrahmen findet er Geld und besticht einen Journalisten, der ihn zum „Star“ emporschreibt. Von diesem nun berühmten Porträtisten will sich die Petersburger Haute volée in Öl verewigen lassen. Plötzlich findet sich der Kunst-Zwerg von der Welle eines Kunst-Hypes emporgetragen, doch vor sich selbst kann sich der im Kern idealistische Maler Tschartkow nicht darüber hinwegtäuschen, dass er letztlich immer das gleiche Bild malt – und dabei sein inneres Ideal in Form einer nie präzise Gestalt annehmenden „Psyche“ verrät. Alles endet in seinem Zusammenbruch. Biografisch wirkt dies wie eine Selbstbefragung Weinbergs, ob er sich nicht – einkommenslos durch Nichtmitgliedschaft im russischen Komponistenverband – durch seine Filmmusiken doch künstlerisch „verkauft“ hat. Doch die Oper ist noch mehr: der westliche Kunstfreund muss über die entlarvenden Parallelen zu Andy Warhol bis herauf zu Damian Hirst staunen. Auf Avantgarde fixierte Musikfreunde können Weinberg vorwerfen, dafür eine eklektische Musik komponiert zu haben. Doch die Partitur Weinbergs ist einfach dramatisch sofort verständliche, nie verstiegene Theatermusik. Das machte Dirigent Rossen Gergov mit dem Symphonieorchester Vorarlberg hörbar.

Schwarze Romantik

Regisseur John Fulljames beließ alles im zaristischen Kostüm und ließ den glänzenden Tenor Peter Hoare als Tschartkow sogar Züge des Phantasten der schwarzen Romantik, von E.T.A. Hoffmann annehmen. Doch schon die technisch und dramaturgisch bestechenden Video-Einblendungen der im Werk mitspielenden Bilder von Finn Ross signalisierten: Das Werk verdient eine Inszenierung mitten in der heutigen Kunstszene – und könnte dann eine ätzend schwarze Satire werden. Die eigentliche Sensation der ersten Festspielwoche in Bregenz aber ist der junge russische Dirigent Teodor Currentzis, der mit seinem Ensemble „MusicAeterna“ aus Nowosibirsk mehrere Orchesterwerke Weinbergs zu atemberaubenden musikalischen Gratwanderungen machte: vulkanische Gipfel, schwermütige Leidenstöne, abgründige Verlorenheit in elektrisierender Zeichengebung und mitgerissenes Musizieren des Ensembles – Jubelorkane. (Wolf-Dieter Peter)

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