Kultur

Ausgeprägte Sensitivität gegenüber den Empfindungen der Tiere war ein Markenzeichen der Künstlerin. (Foto: Kohl)

11.02.2011

Ihr Leben in seinem Schatten

Eine Ausstellung mit Werken des Künstlerpaares Priska von Martin und Toni Stadler im Museum Lothar Fischer in Neumarkt i. d. Oberpfalz

Das Künstlerpaar Priska von Martin und Toni Stadler ist, völlig zu Unrecht, auch heute noch bis auf Ausnahmen nur in Freundes- und Kennerkreisen bekannt. Der verwöhnte Sohn aus wohlhabender Familie musste sich um wirtschaftlichen Erfolg nicht bemühen. In den Lebensbeschreibungen Toni Stadlers findet Priska von Martin meist nicht einmal Erwähnung. Sie war, nach der namentlich bekannteren Hedda von Kaulbach – Schwester von Quappi Beckmann –, seit 1942 Toni Stadlers zweite Frau.
Ein Leben lang sah sie sich als seine Schülerin und verehrte ihn sehr. Bis heute fehlt eine ausführliche Bearbeitung ihrer Biographie. Das Museum Lothar Fischer in Neumarkt i. d. Oberpfalz kann sich nun rühmen, in einer ersten Gemeinschaftsausstellung das Werk der beiden Münchner Bildhauer im Zwiegespräch ihrer Arbeiten zu präsentieren. Lothar Fischer kannte Toni Stadler gut und war mit dem Ehepaar befreundet, arbeitete mit ihm zusammen. Er ging dem „handwerklich ungeschickten Bildhauer“ bei technischen Arbeiten zur Hand.
Zu Recht fragt er, wie „ein so lebendiges Werk eines großen Künstlers so vergessen oder übersehen, gering geachtet werden“ konnte. Der Bildhauer Henry Moore kannte wohl den Hund, auf dem sitzend Toni Stadler und Priska von Martin von Stefan Moses fotografiert wurden, der Name seines Halters und Schöpfers aber war ihm nicht bekannt.
Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, dass die Arbeiten der beiden sehr viel gemeinsam haben. Doch schon bald unterscheidet man die künstlerische Handschrift deutlich. Was bei Toni Stadler kontinuierlich und konsequent erarbeitet und unter vielen Zweifeln erkämpft wird, das scheint seiner Frau Priska von Martin geradezu im Schlaf zu gelingen. Die ausgeprägte Sensitivität, mit der sie die Empfindungen ihrer Modelle, der Tiere, wahrnimmt und an das Material weitergibt, erinnern an die feine Antenne, die Aufnahme und Wiedergabe von Empfindungen bei Joseph Beuys prägnant auszeichnete. Ihr gelingen Plastiken wie das „Schwimmende Rentier“, die zutiefst berühren, aquarellierte Blätter, hingehaucht und dennoch von großer Intensität.
Priska von Martin studierte bis zu ihrer Heirat mit Toni Stadler an der Akademie der Bildenden Künste in München. Eine Verletzung an der Wirbelsäule verursachte ihr anhaltende Schmerzen. Eine 1980 zusätzlich diagnostizierte Erkrankung des Nervensystems trieb die überaus sensible Künstlerin zwei Jahre später in den Freitod. Sie wurde 70 Jahre alt.
Die Ausstellung beschränkt sich auf die Präsentation des Hauptwerks von Priska von Martin und verzichtet auf das zunehmend abstrakte Spätwerk. Toni Stadlers Schaffen ist ein Werk der notorisch unvollendeten Arbeiten. Immer wieder thematisiert er das Fragmentarische, betont den Reiz des Torsos. Sein Oeuvre weist vor allem Köpfe, Statuetten und Figuren auf. Er war berüchtigt dafür, dass er seine Arbeiten noch nach dem Guss beliebig veränderte, vieles auch spontan wieder zerstörte. Er orientierte sich an der archaischen Phase der griechischen Kunst, die ihn faszinierte; während seiner Zeit 1961 in der Villa Massimo in Rom, in der der Kontakt zu Lothar Fischer entstand, hatte Stadler ausreichend Gelegenheit, die Antike zu studieren. Diese Bewunderung für die klassische Schönheit einerseits und das Streben nach spontanem Ausdruck andererseits kommen zur Deckung in so geglückten Arbeiten wie der „Hockenden“ oder „Undine“, die Stadler als einen Künstler ausweisen, der zweifelsohne zu den bedeutendsten Bildhauern der Klassischen Moderne zählt. (Ines Kohl)

Kommentare (1)

  1. Bert am 09.04.2018
    Warum muß man einen renommierten Künstler unbedingt abwerten, nur weil man der Auffassung ist, dass seine Ehefrau mehr Ruhm verdient hätte? Dass ein Künstler seine Arbeiten von Spezialisten gießen oder rahmen läßt, ist ja überhaupt nichts Besonderes. Für den künstlerischen Wert seiner Arbeiten spielt es doch keine Rolle, ob ein Künstler wirtschaftlich ums Überleben kämpfen muß oder finanziell unabhängig ist. Hier hat doch auch seine Frau davon profitiert, weil auch sie sich ohne finanzielle Sorgen ihrer Kunst widmen konnte. Aber das übersieht man zu gern, wenn man eine feministische Brille trägt.
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