Kultur

Neue Landsleute: Ab 1899 gehörte Samoa zu Deutschland. (Foto: Slg. Klein, Franke)

14.02.2014

Im Westen was Neues

Wie die Deutschen vor 100 Jahren ihre neuen Landsleute aus dem exotischen Samoa kennenlernten

In Zeiten, wo Backpacker quer durch die entlegensten Ecken des Globus ziehen, die Flitterwochen nicht mehr in den Alpen oder an der Nordsee verbringen, sondern in Asien auf exotischen Inseln mit Zungenbrecher-Namen; in Zeiten, wo man in Fernsehdokumentationen hautnah am Leben der Ureinwohner teilnehmen kann – in diesen Zeiten ruft die Ausstellung From Samoa with Love im Münchner Völkerkundemuseum in Erinnerung, wie ganz anders die Größen Raum und Zeit noch vor 100 Jahren wahrgenommen wurden.
Damals holte man fremde Kulturen in sogenannten Völkerschauen in die westliche Welt und eben auch ins Deutsche Kaiserreich. Unters Publikum der Schauen mischten sich auch Künstler und Intellektuelle. Auch Prinzregent Luitpold ließ es sich nicht nehmen, ein Auge auf die Exoten zu werfen.
Der Besuch einer solchen Völkerschau kam im prätelevisionellen Zeitalter einer Abenteuerreise gleich. Für 50 Pfennige konnte man den Entdeckerkick eines James Cook erleben, sich hineinträumen, als Weltumsegler der Erste auf fremden Boden zu sein. Künstler, die sich nicht wie berühmte Kollegen reale Reisen in die Südsee leisten konnten, ließen sich in den Ausstellungen inspirieren: von rassigen Schönheiten, wilden Klängen, bunten Ornamenten.

Perle im Pazifik

Joachim Ringelnatz schwärmte als Besucher der Samoa-Schau auf der Jubiläums-Wiesn für die schöne Samoanerin Tautau und setzte ihr in seiner Erzählung Vergebens ein literarisches Denkmal. Auch die Bilder Ernst Ludwig Kirchners und Erich Heckels zeugen vom Bann dieser imaginären Reisen.
Samoa war Deutschlands „Perle im Pazifik“, die im Zuge der kolonialpolitischen Kampagne Kaiser Wilhelms II. 1899 dem Deutschen Kaiserreich einverleibt und zum Schutzgebiet erklärt worden war: Ein „Platz an der Sonne“ für Deutschland, wie es einst Staatssekretär Bernhard von Bülow formulierte.
Die Völkerschauen wurden mit einer regelrechten Marketingmaschinerie beworben: Slogans luden dazu ein, „unsere neuen Landsleute“ kennenzulernen. Dazu mussten nackte samoanische Schönheiten verführerisch posieren, vermeintlich wilde samoanische Krieger sich mit Deutschlandfahne aufbauen.
Die Völkerschauen folgten stets dem gleichen Schema. Vor Ort wurden Einheimische für die Zurschaustellung im Westen rekrutiert. Sie mussten sich dann begaffen lassen und ihre Bräuche demonstrieren. Die Überwindung wurde versüßt: Gutes Geld lockte, Arbeitszeiten wurden eingehalten und klare Konditionen vereinbart.
Dem Museum für Völkerkunde gelingt es mit vielen Fotos, Bildern, Gegenständen, Plakaten, sowie Korrespondenzen, ein Gefühl für die Faszination Völkerschau zu vermitteln und einen Hauch dieser Form des Reisens in unser Zeitalter der grenzenlosen Reisefreiheit zurückzuholen. (Maria Romanska) Bis 5. Oktober. Staatliches Museum für Völkerkunde, Maximilianstraße 42, 80538 München, Di. bis So. 9.30 bis 17.30 Uhr. www.voelkerkundemuseum-muenchen.de Abbildungen Plakat zu einer der Völkerschauen. für 10 Pfennige Eintritt konnten sich die Besucher ein Bild von ihren neuen Landsleuten machen.  (Foto: Slg. Klein, Franke) Fai Atanoa galt als schönste Frau der 1890er Samoa-Schau. In dieser Pose wurden üblicherweise prominente Schauspielerinnen der Zeit fotografiert. (Foto: Even Neuhaus)

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