Kultur

Wie archetypische Idole erscheinen Jürgen Brodwolfs Tubenfigur (hier das Reliefbild "Malerpalette", 2011). Seit Jahrzehnten verformt er Tuben, bandagiert sie auch mal oder überzieht sie mit allerlei Materialien. (Foto: MMK)

31.08.2012

Im Zeichen der Tube

Das Museum Moderner Kunst in Passau zeigt das Werk von Jürgen Brodwolf

Jürgen Brodwolf war zunächst als Lithograf tätig, bevor er während eines Paris-Aufenthalts mit dem Informel in Berührung kam und zu malen begann. Er war auch Fresko-Restaurator – das mag seine ihn beeinflusst haben in der Vielseitigkeit seiner Gestaltungsmittel und den pointiert handwerklichen Umgang mit den Materialien. 1959 entdeckt er auf seinem Arbeitstisch das Ding, das sein Werk von da an kennzeichnen sollte: die Tube.
Er war als Einzelkind auf dem Land aufgewachsen, hatte gelernt mit und in der Natur zu spielen, was wohl entscheidend sein Formempfinden schulte. Jedenfalls führt er selbst genau darauf zurück, dass ihn später in seinem Leben eine ausgequetschte Farbtube in die kindliche Vorstellungswelt zurückbeförderte und zur Initialzündung seiner Kunst wurde. Die Tube, unendlich formbar, wurde bei Brodwolf zum anthropomorphen Zeichen, anhand dessen sich menschliche Situationen darstellen lassen und das ihn im Werk nun seit über 50 Jahren begleitet. Die wandelbare Tubenfigur taucht bei ihm auch als Plastik auf und später in den Objektkästen.

Wandelbarer Ausdruck

Zum 80. Geburtstag ehrt das Museum Moderner Kunst in Passau den heute in Kandern im Schwarzwald lebenden Jürgen Brodwohl mit einer umfangreichen Retrospektive. Im Umkreis der Nouveau Réalistes mit Daniel Spoerri, Jean Tinguely, Arman, auch Karl Fred Dahmen wäre hier zu nennen, zählt Jürgen Brodwolf bereits zu den Klassikern. Allein, er ist der einzige, der sein Werk um die eine universale, idolhafte Tubenfigur herumbaut. Das Phänomen ihrer verblüffenden Wandlungsfähigkeit erlaubt es ihm, sie zum Zentrum und zum alleinigen Protagonisten seiner künstlerischen Welt zu machen. In den großformatigen „Figurentüchern“, textilen Reliefs und Reliefbildern kreist der Maler wie auch der Figurenformer um diese torsoähnliche Form, die einen äußerst wandelbaren Ausdrucksträger darstellt, an dem sich Auseinandersetzungen mit kunsthistorischen Motiven ebenso festmachen lassen wie aktuelle Themen.
In der Installation Flut thematisiert Brodwolf eine Überschwemmung in den Schweizer Alpen, ein Thema, das der leidgeprüften Dreiflüssestadt Passau nicht fremd ist. Auch die Beschäftigung Brodwolfs mit der Nibelungen-Sage auf eindrucksvollen Blättern und ein großes Bodenbuch zum Thema nehmen Bezug auf den Ausstellungsort.
In seinen Archiven, die zu benutzen der Besucher ausdrücklich aufgefordert wird, gibt der Künstler Einblick in seine Entwicklung. Dort setzt sich Brodwolf mit historischen Themen auseinander. So stößt man beim Blättern in den Alben darauf, dass neben den bekannten Widerstandskämpfern, den Geschwistern Scholl, auch Cato Bontjes van Beek 1943 in Berlin-Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurde, wegen Beihilfe zur Vorbereitung zum Hochverrat. Brodwolf zeichnet seine Erschütterung darüber auf, dass van Beek die Art ihrer Hinrichtung in einem Traum vorweggenommen hatte. Sie wurde geköpft. (Ines Kohl)

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