Kultur

Nur noch eine Handvoll dieser Lampen (Entwurf Ingo Maurer, 1980er Jahre) aus dem Münchner Café Roma haben im Kunsthandel "überlebt". (Foto: Galerie Vogdt)

07.10.2011

Jagd nach Barockem und Modernem

Ein Streifzug durch die Kunst- und Antiquitätenszene Münchens

Der Konkurrenzkampf zwischen München und Berlin als „Deutschlands Kunststadt Nummer 1“ hat Tradition. In Bezug auf die Museen ginge die Runde wohl unentschieden aus. Während Berlin die Nofretete ins Rennen schicken würde, legte München den Rubenssaal auf die Waage. Doch dafür – so die Berlinverteidiger – gibt es an der Spree die größte Zahl an lebenden Künstlern und wichtigen Contemporary-Galerien. Andererseits ist auch München letztlich nicht arm an Galerien für Gegenwartskunst.
Doch auf einem Feld bleibt die bayerische Landeshauptstadt unschlagbar: Keine zweite Stadt in Deutschland weist diese Vielzahl anspruchsvoller und hochpotenter Adressen für Kunst und Antiquitäten auf. Zu den internationalen Tophändlern zählt zweifelsohne der Altmeisterspezialist Konrad O. Bernheimer, der unlängst für mehrere Millionen Euro ein wiederentdecktes Gemälde des niederländischen Barockmalers Frans Hals verkaufte.
Zu diesem Kreis gehört aber ebenso Gerhard Röbbig, Spezialist für frühes Meissner Porzellan. Betritt man sein Geschäft in der Briennerstraße, fühlt man sich ins 18. Jahrhundert versetzt. Feinste französische Möbel mit Bronzebeschlägen und Porzellane, die einst August der Starke besaß. Geschäfte wie diese gibt es höchstens noch in Paris oder London.
Kontrast dazu bietet die loftartige Galerie von Stefan Vogdt in Schwabing. Vogdt handelt seit 30 Jahren mit Design des frühen 20. Jahrhunderts und mit Architektenmöbeln: funktionale Stühle von Alvar Aalto von 1932 oder Bruno Mathsons Klassiker-Tisch „Super-ellipse“ aus dem Entwurfsjahr 1964. Das einzig Bunte hier ist eine Deckenlampe aus dem legendären Münchner Café Roma, ein Entwurf Ingo Maurers. „Wohl das letzte der fünf Exemplare, das noch auf dem Markt ist“, sagt der Galerist.
So wenig die beiden Geschäfte miteinander zu tun haben, sie treffen den Kern des Münchner Kunst- und Antiquitätenhandels: Vielfalt, Gegensätzlichkeit, Bandbreite und hoher Anspruch.
Allein die Ansammlung von Galerien und Antiquitätengeschäften aber macht eine Stadt nicht gleich zur Kunstmetropole. „Wo kein Angebot existiert, das auch für Sammler aus New York, Italien, Wien oder Hamburg interessant ist, bleibt der Kunsthandel im Provinziellen stecken“, sagt Eric Meletta. Er ist seit 35 Jahren auf französische und englische Einrichtungsgegenstände aus der Zeit um 1800 und auf Objets d´Art spezialisiert.

Ohne Mittelalter gehts nicht

Zwischen Pinakotheken und Maximilianeum zählt man mehr als 25 gehobene Galerien und Antiquitätenhandlungen. Auf internationalem Parkett agiert die Galerie Arnoldi-Livie, deren Domäne exquisite Zeichnungen von der Renaissance bis zur Romantik sind. Momentanes Glanzstück ist die hochkarätige Sammlung Michael Berolzheimers, eines Familienmitglieds der einstigen Bleistiftfabrik Adler. Malerei und Arbeiten auf Papier von Künstlern wie Max Liebermann und Leo Putz, Franz von Defregger oder Pierre Bonnard findet man im Kunstsalon Schenk-Franke und in der Galerie Schüller, während die Galerie Française im deutschsprachigen Raum als Top-Adresse für Arbeiten des russisch-französischen abstrakten Malers Serge Poliakoff gilt. Art fundus und die Axel Schlapka KG untermauern, dass Biedermeiermöbel die modernsten Einrichtungen vor der Erfindung des Designs sind.
Aber: „München ohne Spezialisten für mittelalterliche Skulpturen ist unvorstellbar“, meint Beatrice Ostner-Benito, die sich auf diesem hochartifiziellen Gebiet in zweiter Generation engagiert und die Tradition der Kunsthandlung Metz De Benito fortsetzt.
Und nicht zuletzt steht die Galerie Thomas mit exemplarischen Gemälden von Edvard Munch, Emil Nolde oder Max Pechstein für die mit München eng verbundene klassische Moderne, die wiederum die Galerie Brigantine mit Möbeln von Richard Riemerschmid und Bruno Paul sowie mit Kunsthandwerk des Jugendstils und des Art Déco auf ihre Weise reflektiert.
Wie aus den wenigen Beispielen ersichtlich ist, geht der Trend zur Konzentration auf ein bestimmtes Sammelgebiet. Einer der letzten Generalisten ist Harry Beyer, Münchens dienstältester Antiquitätenhändler. Mehr als 60 Jahre kauft und verkauft er Bronzeskulpturen, Gemälde, Schmuck, altes Glas und Autografen. Seit gut 35 Jahren hat er sein Geschäft im Schatten der Salvatorkirche.

Münchner Malerei gepflegt

Münchens Kunsthandel lässt sich bis 1698 zurückverfolgen, als ein Johannes Hiebler die Konzession erhielt, Kupferstiche zu verlegen. Die älteste, heute noch existierende Kunsthandlung aber ist die 1825 gegründete Galerie Wimmer nahe des Odeonsplatzes. Dort wurde von jeher die Münchner Malerei gepflegt: Franz von Stuck, Gabriel von Max, Eduard von Grützner – und natürlich Carl Spitzweg, dessen Gemälde man dort als erste Galerie überhaupt zum Verkauf anbot. Heute leitet Christine Rettinger die Galerie. Ihr Konzept ist es, die Tradition des Hauses mit der Offenheit für Neues zu verbinden. Albert von Keller und Edward Theodore Compton aus der Zeit um 1900 sind genauso vertreten wie zeitgenössische Künstler. Dass München sich bis heute als Kunstmetropole behauptet, habe mit Solidität und Bodenständigkeit zu tun, so Christine Rettinger. „Es ist keine Stadt der Hypes, des Hochkatapultierens und schnellen Fallenlassens.“
Zwar kann die Galerie Daxer & Marshall, die zu den handverlesenen Teilnehmern der bedeutendsten Altmeistermesse Europas, der TEFAF in Maastricht, gehört, noch nicht auf eine so lange Tradition zurückblicken. Aber auch Marcus Marshall, den die Kunst von der Romantik bis zum Realismus begeistert und der Arbeiten von Karl Blechen, Anselm Feuerbach oder Alexandre Calame bis in die USA verkauft, beschäftigt München: „Man pflegt hier ein eher konservatives Klima und hat nach dem Krieg an jene Werte anknüpfen wollen, die vor der Nazi-Zeit herrschten. Dazu passt nicht nur der Wiederaufbau der Residenz, sondern auch der eines klassisch strukturierten Kunsthandels.“ Von 100 Kunsthandlungen vor 1933 existierten 1945 nur noch zehn.
Marcus Marshall ist auch ein Beispiel dafür, dass der Kunsthandel droht, aufgrund extrem hoher Ladenmieten in die Unsichtbarkeit verbannt zu werden. Die Galerie zog im Frühjahr in die Barerstraße in Räumlichkeiten, die im zweiten Stock liegen. Das ehemalige Ladengeschäft in der Briennerstraße wurde vom Freistaat gegen Meistgebot vermietet. Der Sieg einer weiteren Luxusmarkenkette?
Noch gehören viele Galerien zum Gesicht Münchens. Mit etwa 250 Kunst- und Antiquitätenhandlungen und – mit der im letzten Jahr gegründeten Munich Comtempo für zeitgenössische Kunst – sogar vier weit über die Grenzen Münchens hinaus strahlenden Kunstmessen stehen die Karten auf den Titel „Kunstmetropole Nr. 1“ doch gar nicht so schlecht.
(Sabine Spindler)

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