Kultur

Marianne von Werefkins Porträt "Der Tänzer" (1909).

23.09.2011

Japanisches vom Blauen Reiter

Das Schlossmuseum in Murnau zeigt, wie sich August Macke, Wassily Kandinsky und ihre Weggefährten von fernasiatischer Mode beeinflussen ließen

Der politisch-religiösen Öffnung und Infiltration folgte der Kunst-Austausch: Im 18. Jahrhundert wurden die Chinoiserien in Europa Mode, Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusste der „Japonisme“ die europäische Kunst – genauso wie die Kunst der „Naturvölker“ im Gefolge des Imperialismus. Mitte des Jahrhunderts hatte sich das Kaiserreich Japan mehr gezwungen als freiwillig den Kolonialmächten geöffnet; Weltausstellungen präsentierten japanisches Kunsthandwerk. Die Modewelle ging von Frankreich aus nach Deutschland, man sammelte billige japanische Holzschnitte, war beeindruckt von deren künstlerischen Ausdrucksmitteln, von der flächigen Gestaltung mit ihren hart aneinander grenzenden Farben, der Spannung zwischen bemalter und leerer Bildfläche.
So wurden die Japan-Mode und die „primitive Kunst“ die große Inspiration der Jahrhundertwende – auch für die Künstler des „Blauen Reiter“. Deren 100. Jubiläum feiert man heuer, dazu 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen. Vor mehr als zwei Jahren erhielt das Schlossmuseum Murnau zahlreiche japanische Zeichnungen, Holzschnitte, Artefakte – nicht nur aus der ehemaligen Sammlung von „Reiter“ Franz Marc – das Museum hat nun zum „Blauen Jahr 2011“ einer Ausstellung beide Phänome verknüpft, zeigt, wie sich die Maler des „Blauen Reiter“ von Japan beeinflussen ließen.
Was die Vorreiter und Propagandisten des „Japonisme“, Claude Monet (er allein schon durch sein japanisches Brückchen in Giverny) oder Henri de Toulouse-Lautrec mit seinen großflächig-farbigen Plakaten konnten, das konnten schnell danach auch Wassily Kandinsky oder Peter Behrens. Ganz dicht war dessen Farbholzschnitt Sturm oder der Entwurf für einen Teller von Carl Strathmann am neuen Vorbild. Entsprechend hat man sich in Murnau bemüht, Vorbild und Nachfolge möglichst dicht nebeneinander zu präsentieren. Dazu sind die Vitrinen voll mit William Cohens „Stilanalysen als Einführung in die japanische Malerei“ von 1908, von putzigen kleinen Farbholzschnitten aus Marcs Nachlass oder seinem Pariser Tagebuch. Bei ihm, genauso bei Jawlensky oder Macke, ist die Reihenfolge klar: Kennenlernen, Sammeln, Inspiration für die eigenen Werke – Schritte, wie sie die Murnauer Ausstellung anschaulich dokumentiert.
Wie direkt dieser Einfluss manchmal war, zeigen etwa das Blatt einer Marc-Karikatur nach einem japanischen Holzschnitt von 1908/10 oder die Skizze Blaues Reh in Landschaft. Große Flächen, hart aneinander stoßendes Schwarz/Weiß beim Rückenakt von 1911: Da erkennt man schnell wieder, was man nebenan gerade in der japanischen Kunst gesehen hatte. Das geht bei August Mackes Portraitstudie Elisabeth Gerhardt bis zum direkten Zitat oder bis zum direkten Einbau von Japanismen in einen großformatigen Besuch von Heinrich Nauen.
In der üppig bestückten Schau folgen Kandinskys Farbholzschnitt mit russischen Motiven in japanischer Technik: Zwölf Japan-Holzschnitte besaß er, sie wurden einer der Treibsätze für seine zunehmende Abstraktion (Lyrisches von 1911). Die Spurensuche nach Japanischem wird schnell fündig auch bei Marianne Werefkin (Der Tänzer Sacharoff) oder bei Paul Klees typisch hochformatigen Paneelen mit Aare-Landschaften.
Angesichts dieser inspirierenden Murnauer Fülle macht man gern Pause, am besten ruhig und gelassen wie August Mackes Buddhas: vor der Kulisse des „blauen Landes“. Über die Altstadt von Murnau hinweg: das Gabriele-Münter-Haus. Dort findet man die Japanmode in einem Plakatentwurf für ihre Ausstellung 1918 in Kopenhagen oder dem Blumenstillleben auf dem Treppenabsatz zum ersten Stock. (Uwe Mitsching)
(Bis 6. November. Schlossmuseum, Schlosshof 4-5, 82418 Murnau.)

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