Kultur

Raffinierte Musikmaschine: Die Bremsscheibe eines Rennrads ist in Wirklichkeit eine Schallplatte, und am Kettenwerfer ist ein Tonabnehmer fixiert. Im Fahrradrahmen hat Alexander Laner Lautsprecher versteckt. Aus denen knistert Verdi-Schmalz, wenn ein Motor das Rad zum Surren bringt. (Foto: Lothringer13)

21.04.2017

Knall – Quietsch – Knatter

In der Münchner Kunsthalle „Lothringer13“ zeigen Künstler klingende Bilder und Installationen voller Musik und Töne

Der Besucher darf sich quasi als Schallwellenreiter betätigen: Es trällert, wummert, brummt und quietscht in der Münchner Kunsthalle „Lothringer13“, und dazwischen schmettert noch italienischer Operngesang. Der Sound gehört zur Kunst, denn die Ausstellung You are in my wave versammelt Arbeiten, bei denen Musik oder Töne integraler Bestandteil des Werkes sind. Entstanden ist dabei eine so faszinierende, vitale und auch witzige Ausstellung, dass dagegen manche Präsentation blutleer und alt aussieht, die uns die großen Münchner Kunst-Institutionen vorsetzen.
Eine Welle der Begeisterung erfasst den Besucher gleich bei den wunderbar versponnenen Maschinchen, die der 1974 geborene Münchner Alexander Laner bastelt. Die berückend absurde Poesie seiner Objekte zeigt sich in La Traviata, einem umgefallenen Rennradl an dessen Hinterrad eine Single-Schallplatte montiert ist. Wie eine Bremsscheibe sieht das aus – bis man bemerkt, dass da ein kleiner Tonabnehmer auf der schwarzen Scheibe liegt, und wenn ein Motor das Hinterrad in Bewegung setzt, erklingt aus einem Lautsprecher am Fahrradrahmen knisternd eine herrlich schmalzige Verdi-Arie.

Reliquien der Ruhe

Einen schönen Kontrapunkt setzen in dieser Knall-, Quietsch- und Knatter-Ausstellung die Arbeiten des Holländers Jeroen Diepenmaat. Feinsäuberlich gerahmt und mit makellosen weißen Passepartouts versehen, werden da winzige graue Staubflocken präsentiert, als wären sie mikroskopisch kleine Meisterzeichnungen. Wie die zage Materialisierung von Stille wirken diese unauffällig-scheu über die Ausstellung verteilten Staub-Bilder – Reliquien der Ruhe oder Oasen des Schweigens, die von meditativer Verinnerlichung künden. Wie herrlich paradox, dass ausgerechnet Schmutzpartikel hier für die Anmutung von Reinheit und Friedlichkeit sorgen. Bei den Arbeiten von Sam Prekop wiederum liegt die Verbindung zum Thema Klang eher darin, dass der US-Künstler hauptsächlich als Musiker bekannt ist. Aber auch seine Fotos von meist eher desolaten Häusern, Räumen oder Stadtlandschaften, die in der Ausstellung gezeigt werden, haben eindeutig den Blues, feiern jedoch zugleich die schroffe Schönheit des Unwirtlichen. Wellen nostalgischer Gefühle scheint hingegen die Künstlergruppe Tapemosphere auslösen zu wollen: Ein mitten im Raum aufgehängter Kassettenrekorder spult die eingelegte MC ab, aber deren dünnes Magnetband wird aus der Kassette heraus durch Schlaufen aus nahezu unsichtbaren Nylonfäden geführt und läuft so in einem weiten Kreis scheinbar frei durch die Luft um den Rekorder herum und in die Kassette zurück. Ganz gewiss wird von diesem zart-komischen Inbild der Verletzlichkeit auch angerührt, wer nicht zu jenen Generationen gehört, die durch die Katastrophen des Bandsalats traumatisiert sind. Die spannendste Entdeckung der Schau ist aber eindeutig Anne Pfeifer. Die 1987 geborene Münchner Künstlerin hat einen schwarzen Hochglanz-Kasten an die Wand montiert, der wie ein schickes Designobjekt aussieht. Doch unversehens beginnt es in seinem Inneren zu hämmern, als wollte sich da jemand aus der Wand herausboxen. Und tatsächlich kommt die Vorderseite des Kastens gehörig ins Wackeln und Vibrieren – fast so, als wolle die junge Kunst sich bemerkbar machen, die mit der „Lothringer13“ eine der letzten verbliebenen Oasen in der Hochglanzmetropole München hat. (Alexander Altmann) Information: Bis 28. Mai. Lothringer13, Lothringerstraße 13, 81667 München. Di. bis So. 11-20 Uhr. www.lothringer13.com

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