Kultur

In den Glasvitrinen scheinen die Exponate zu schweben. (Foto: Karin Dütsch)

26.10.2012

Königliche Monologe

Die Jahrundertausstellung "Pracht auf Pergament" in der Hypo Kunsthalle besticht mit puristischer Eleganz

Verehren: ja – anbeten: nein! Auf diese Formel ließe sich der Kompromiss im jahrhundertelangen Bilderstreit verkürzen, der zu jener Zeit gefunden wurde, also im 8. Jahrhundert, als die ältesten Handschriften entstanden, die derzeit in der Hypo Kunsthalle zu sehen sind: Das Wort Gottes  musste verbreitet werden – dazu waren und fühlten sich die „von Gottes Gnaden“ gekrönten Häupter Europas verpflichtet. Aber wie dem Nichtdarstellbaren, der göttlichen Macht doch eine solche materielle Form geben, dass diese durch ihren äußeren Anschein hindurch eine Ahnung vom „wahren Wert“ transportiert? Dass nicht der Glanz von Gold, Silber und Edelsteinen als Zeichen irdischen Reichtums blenden, sondern von überirdischer Strahlkraft?
Ein ähnlicher elementarer Diskurs scheint die Kuratoren der Ausstellung Pracht auf Pergament bewegt zu haben: Wie die Erwartung der Besucher weg vom Bild einer materiell üppigen mittelalterlichen Schatzschatulle lenken hin zum erkennenden Staunen über den immateriellen Wert dieser Insignien unseres kulturellen Erbes?
Die Lösung ist umwerfend: Puristisch und dabei auf geheimnisvolle Weise doch suggestiv gibt sich diese Inszenierung: Streng „demokratisch“ ist jedes Exponat, unabhängig seines Umfangs oder „wertvollen“ Materials in gleichgroßen Glaskuben und in gebührendem Abstand voneinander präsentiert, scheint auf transparenten Buchwiegen im spärlich erleuchteten Raum zu schweben. Wo die Untersicht wichtig ist, also bei besonderen Einbandgestaltungen, ist der Vitrinenboden verspiegelt.
Mehr nicht. Kein Aufmerksamkeit heischendes Kulissenbrimborium, das versuchen würde, „das“ Bild des Mittelalters zu suggerieren, und letztlich von den Hauptakteuren nur ablenken würde. Stattdessen: Wie in den großen Königsmonologen eines Shakespeare darf hier jedes einzelne Werk an die Rampe einer zum Programm gewordenen kahlen Bühne und seine spannende Geschichte deklamieren.
Wer sich auf dieses Schauspiel einlässt, wird 72 einmalige Uraufführungen erleben. Der Verführung sollte man mehrmals erliegen. Der üppige Katalog ist wertvolle Lesehilfe. (Karin Dütsch) Abbildungen (von oben): Der Evangelist Lukas aus dem Evangeliar Ottos III., das um 1000 auf der Reichenau hergestellt wurde (Clm 4453, fol. 139v). Perikopenbuch Heinrichs II. (Clm 4452, fol. 135v, Reichenau, vermutlich zwischen 1007 und 1012).

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