Kultur

Haben Riesen hier ihre „zweite Haut“ zurückgelassen? Installation von Silvia Hatzl im Museum am Dom. (Foto: Atelier Issig und Nitschke, Daniela Jungmeier)

08.06.2012

Lauter leere Hüllen

Würzburger Museum am Dom zeigt Silvia Hatzls Installation "Die zweite Haut"

Kleidung dient dem Menschen als „zweite Haut“. Sie bietet Schutz, aber auch die Möglichkeit, sich ein persönliches Merkmal zu gestalten. Sie ist also in der Regel eng an eine Person, an einen Körper gebunden. Seltsam mutet es an, wenn nur noch die „Hülle“ übrig ist, der Träger fehlt. Die Verwirrung wächst, wenn diese „Außenhaut“ löchrig, fleckig oder zerrissen ist.
Genau mit solchen Irritationen spielt Silvia Hatzl in ihrer beeindruckenden Rauminstallation Die zweite Haut im Würzburger Museum am Dom. Lange Zeit war die in Oberbayern gebürtige Künstlerin (Jahrgang 1966) als Kostümbild-Assistentin an den Münchner Kammerspielen tätig, arbeitete für Tanz-Aufführungen und Video-Performances, und tanzt auch selbst.
Sie bevorzugt für ihre „Skulpturenbilder“ – oder Bilderskulpturen – transparente oder halb durchsichtige Stoffe: sie bewegen sich sanft durch den Luftzug, wenn der Betrachter vorbeigeht. Ein Effekt, den die Künstlerin noch steigert, wenn sie selbst eine solcher „Häute“ überstreift und darin tanzt.
Das wird sie allerdings kaum tun mit den „Häuten“, die im unteren Raum des Museums zu sehen sind. Denn dort hängen „Hüllen“ wie Überbleibsel von Riesen. Es sind Gewänder, die mit ihrer knittrigen Oberflächenstruktur, mit ihren Falten und Schadstellen und ihrer „Unfarbigkeit“ zwischen Grau, Bräunlich und Weißlich wie längst abgelegte Sachen wirken. Sie deuten auf Vergängliches, Altes und Vergessenes hin.
Doch das täuscht: Alles ist vonSilvia Hatzl extra für die Installation in zwei Jahren gefertigt worden. Sie sagt dazu: „Meine Skulpturenbilder entstehen nicht im Kopf. Sie werden erfühlt, ertastet, empfunden aus einem Innersten und Unergründeten.“ Die haptische Qualität der „Häute“, die an einfache Mäntel oder Hemden erinnern, ist charakteristisch für ihre Objekte. So gibt es steifere Hüllen mit glänzenden Oberflächen, etwa aus Därmen, aber auch Stoffe aus Baumwolle oder Seide, die weicher fallen. Die Flecken, Nähte oder Risse lassen an Archaisches denken, aber auch an Verletzbarkeit.
Dichte und Leichtigkeit zugleich faszinieren bei diesen „Häuten“. Wie Fahnen der Erinnerung, auf Gestellen aufgespannt, beherrschen sie den unteren Raum im Museum. Im Zwischengeschoss hat Silvia Hatzl kleinere „Hüllen“ zu Gruppen geordnet. Dabei erscheinen die grauen Hemdchen an der Wand wie Parallelen zur Kreuzform; die aufrecht stehenden, sehr transparenten Gebilde wiederum wirken geradezu „unschuldig“, wie zurückgelassene Kleider oder Röcke von Kindern.
Spannend bleibt in dieser Ausstellung immer die Frage: Wer könnte diese zweite Haut einmal getragen haben? Den Körper, die individuelle Person, muss man sich selbst denken. (Renate Freyeisen)

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