Kultur

Wie durch einen Torbogen fällt der Blick auf den Fujiama: Udo Kallers "Unter der Mannen-Brücke in Fukagawa" (2007). (Foto: Kunsthalle)

10.08.2012

Linie und Fläche

Udo Kallers Zyklus mit dem Fujiama als Motiv in der Kunsthalle Schweinfurt

„Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ ist eine Holzschnittserie des berühmten Katsushika Hokusai (1760 bis 1849) betitelt, der durch die Große Welle von Kanagawa, eine Ikone der Druckkunst, bekannt ist. Viele Künstler ließen sich von dieser fernöstlichen Kunst inspirieren, so zum Beispiel Degas und Monet – und auch der Wahlfranke Udo Kaller (Jahrgang 1943), dessen Arbeiten derzeit in der Kunsthalle Schweinfurth zu sehen sind.

Spiel mit Kontrasten

In einem 72teiligen Zyklus taucht bei Kaller der heilige Berg Japans als zentrales Motiv auf. Kaller kopiert nicht Hokusais „Vorlagen“, sondern greift oft Details heraus, gruppiert oder kombiniert sie neu, wählt eine meist bedeckte, warme Farb-Palette, flächiges Grau, viel Schwarz und gebrochenes Weiß, generalisiert die Formen zu Form-Symbolen, rückt manches nach vorne, lässt oft große Flächen des Hintergrundes frei, was Spannung im Bildaufbau erzeugt. Kaller spielt mit Kontrasten, etwa negativ und positiv.
Stets taucht, als Umriss oder Form, groß oder klein oder versteckt in den Linien, der Fuji auf. Kaller abstrahiert Hokusais Motive, etwa Kiefern oder Wolken, Segel oder Neujahrsdrachen, so dass sie kaum mehr gegenständlich erscheinen. Diese Abstraktion verstärkt das Spiel mit dem Ausschnitt und der Farbe: oft überzieht sie monochrom das ganze Bild, etwa in Sepiabraun oder hellem Blau; das Motiv wird dann durch schwarze Linien oder, bei dunklem Untergrund, durch weiße und helle Striche umrissen. Dies erinnert an eine Zeichnung, wirkt wie eine ornamentale Grafik, ist aber mit dem Pinsel gemalt.
Manche Themen Hokusais greift Kaller differenzierter auf, etwa die berühmte Große Welle. Kaller wählt dafür Weiß, Grau und Schwarz vor schwarzem Hintergrund, nimmt die Bewegung als dynamischen Vorgang auf, versieht die hoch schäumende Form mit einer ruhigeren Gegenbewegung, verstärkt durch die Boote, wobei der Fuji in der vorderen Welle und hinten auftaucht vor dem dunklen Himmel mit punktierten Umrissen von Wolken.
Oft verstärkt Kaller die Bewegung auf den meisterhaften Holzschnitten Hokusais noch, etwa beim Windstoß, indem er das meiste weglässt, nur zwei Hauptfarben wählt; beim ersten Bild zeigt er noch die gegen den Sturm ankämpfende Gestalt; beim zweiten aber hat er auch diese weggelassen; der Baum fegt quasi entwurzelt quer über das Querformat, umweht von weggerissenen Blättern mit einem Mini-Fuji.

Feierliche Stimmung

Kaller sucht die Form an sich, generalisiert sie. So verbinden sich beispielsweise die Umrisse von Kranichen zu einem Liniengeflecht mit dem heiligen Berg als Bekrönung; die Boote auf dem See sind als flächige Formen im Blau rhythmisch auf den Fuji hin ausgerichtet. Die flächigen Farben geben allem viel Ruhe und lassen die Linien umso stärker wirken. War Hokusais großes Thema die Landschaft, so geht es Kaller vor allem um die Linie in der Fläche. Dazu bevorzugt er die Monochromie. Nur selten schattiert er ab, etwa beim Gewitter, bei dem wolkige Effekte vorherrschen. Sonst aber ist die Farbe klar und plan aufgetragen, manchmal auch in bunten Kontrasten, etwa bei Reiter am Sumida-Fluss.
Kaller hat also das Vorbild ganz eigenständig umgesetzt, auch im Format. Ihm ging es, wie die Herbstblätter am deutlichsten zeigen, um die Formfindung, um die Eingliederung abstrahierter Formen ins Bildganze. Dabei gelangen ihm zurückhaltende, poetische Bilder mit Stimmungen von Feierlichkeit, Weite, Harmonie, wofür der Berg Fuji ein Symbol ist. (Renate Freyeisen)

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