Kultur

Sechs Schauspieler verkörpern Peer Gynt, hier Gerald Fiedler. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

13.10.2017

Lüste und Lügen

Eine bildmächtige Inszenierung von „Peer Gynt“ eröffnet die Augsburger Theatersaison

Einen kühnen Wurf wagt Augsburgs neuer Intendant André Bücker mit Peer Gynt zur Eröffnung der neuen Schauspielsaison. Seine bildmächtige Inszenierung dieser mit vielerlei nordischen Märchen- und Mythenmotiven gewürzten Saga aus der Feder Henrik Ibsens stützt sich vorwiegend auf Christian Morgensterns gefällige Verse, die jedoch regelmäßig von ein paar qualmenden Platzpatronen aus dem Wörterbuch des Alltagsmenschen aufgeschreckt werden. Im Mittelpunkt von Jan Steigerts Bühne im provisorischen Spielort Martini-Park (wo alles zur Zufriedenheit der Zuschauer hergerichtet ist) steht die Behausung von Peers Mutter Aase: eine rustikale Holzhütte, die sich bei Bedarf auch leicht und locker im Kreise dreht.

Beeindruckende Videokunst

Spiritus Rector der Szene ist jedoch der Videokünstler Frank Vetter, der den Zuschauer in einer wahren Flut von Bildern ertränkt, von reißenden Flüssen über abgrundtiefe Seen bis zu undurchdringlichen Wäldern, dazu immer wieder Großporträts der Akteure im Dialog. Das ist alles andere als dem Zeitgeist geschuldeter modernistischer Schnickschnack, sondern ein höchst eindrucksvoll eingesetztes optisches Kommunikationsregister. Dass Peer Gynt mit seiner auf Lüsten, Begierden, Lügen, Phantasmagorien und Illusionen gründenden Lebensphilosophie kein singulärer Charakter ist, sondern, einer sich ständig häutenden Zwiebel gleich, ein ewiger Picaro auf der Suche nach sich selbst, veranlasst die Regie, die Hauptrolle auf sechs Schauspieler zu verteilen. Ihnen obliegt es, die schier explodierende Welt hinter Peers Schädelgitter zur Schau zu stellen. Und ob dies nun Anatol Käbisch und Daniel Schmidt, Thomas Prazak und Sebastian Müller-Stahl oder Kai Windhövel und Gerald Fiedler unternehmen, so sind sie doch in ihrer schauspielerischen Vielfalt und Unterschiedenheit ein Peer Gynt. Ute Fiedler ist Peers sorgenvolle Mutter Aase und Karoline Stegemann die leise, beharrlich und hingebungsvoll liebende Solvejg. Uneingeschränktes Lob für ein überzeugendes Multi-Tasking- Ensemble, ebenso auch für die Band „Misuk“ mit ihren sehr diskret eingeschobenen Chansons. André Bückers Inszenierung, die zwischen Magie, Exotik, Surrrealität, Absurdität, Untergangslust, ein paar derbkomische Comedy-Gags inklusive, so ziemlich alles bedient, was das Auge zu fassen bereit ist, hinterlässt ein sehr aufmerksames, gelegentlich zwischen Verwirrung und Verstörung dreieinhalb (lange) Stunden ausharrendes Publikum, das sich mit außergewöhnlich freundlichem Beifall bedankt. (Hanspeter Plocher)

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