Kultur

Eigenwillige Bewegungsästhetik zeigt Katharina Lebedew. (Foto: GOP)

21.07.2017

Lust am Move

„Impulse“ in München: Junge Artisten verpassen dem Varieté einen neuen Look

Es ist ein unglaubliches Muskelspiel: Man sieht, wie die Beats ihren Körper Faser um Faser durchpulsen – mal zeitlupenhaft und in Wellen, dann wieder zuckend in wildem Stakkato. Das kann man verfolgen, selbst wenn Katharina Lebedew ein langes schwarzes Kleid anhat – das liegt ihrem biegsamen Körper nämlich an wie eine hauchdünne, aalglatte Haut, die alle Verdrehungen, Sprünge, das Wälzen, Schlängeln, Krabbeln regelrecht organisch mitmacht. Etwas geradezu unheimlich-Ästhetisch Animalisches liegt in diesem Tanz – wie sich Amphibien bewegen, begeistere sie, liest man über die 28-jährige Sportartistin, die von der Wettkampfarena auf die Bühne gewechselt hat und in der neuen Show des Münchner GOP-Varieté-Theaters zu sehen ist. Impulse steht über dem Programm – und das ist mehrdeutig zu verstehen. Da sind zum einen die Artisten, diesmal überwiegend aus der jüngeren Generation, die sich an durchaus unkonventionellerer Varieté-Artistik und Ästhetik probieren: Die kommt nicht im nobel-gediegenen Glitzer, sondern im Schlabber- und Sportlook daher. Wie selbstverständlich werden Elemente des Hiphop und verschiedene Moves des Breakdance integriert – zu harten Beats ebenso wie zu Blues und trendigem Elektro-Geschwurbel. Wie überraschend passt bei all dem Understatement an klassischer Varieté-Optik selbst ein „Besentanz“ rein, bei dem man schon nach wenigen Augenblicken Assoziationen an eine altväterliche Fred-Astair-Nummer vergisst: Pardon, aber Robert James Webber ist von seiner moppeligen Statur her und der Jeans wegen, die gen Kniekehlen reicht, nicht gerade der elegante grazile Dandy, von dem man überhaupt erwarten würde, dass er Körperakrobatik drauf hat. Aber wie baff ist man, wenn der 32-jährige Amerikaner sich windet, rumschraubt und den Besen über seinen ganzen Körper, über jedes Pölsterchen und selbst die Nasenspitze rotieren lässt. Oder wenn er gar den vertikalen Mast (Pole) umturnt! Auch das ein wohltuendes Zeichen dieser Show gegen (überkommene) Klischeebilder von Varieté-Ästhetik.

Akustisches Bühnenbild

Zum anderen setzt der Münchner Drummer Johnny Kay einen starken Impuls: Mit den Artisten bearbeitet er eine „Drumwall“. Diese Wand ist ein echter Clou: ein akustisches Bühnenbild. Die 128 Drumheads sind nicht nur als Klangkulisse zu nutzen, sondern auch Flächen für poppige Projektionen. Manchmal mag man in dieses Bühnenbild die Blasen einer Art Ursuppe hineinphantasieren – den Nährboden für die Evolution des Menschen, in dem die Beats antreibende Herzschläge sind. Leben ist Bewegung – wovon die neunköpfige Artistentruppe wie in einer Bildergeschichte lustvoll-locker erzählt. Fast unbeholfen roboterhaft-ruppig wirkt da das „Erwachen“, immer geflissentlicher wird das Ausloten von der Bewegungsfähigkeit, die in einem perfekten Liebestanz gipfelt, den das erst 21 und 23 Jahre alte Duo Celeste & François in umwerfend verhalten-knisternder Erotik ans Trapez zaubert. Bei allem neuen Look: Der Ulk fehlt auch in Impulse nicht. Daniel Sullivan kann nicht nur mit den Luftringen jonglieren, dass einem die Luft wegbleibt, und in einer Geschwindigkeit steppen, dass die Augen sich erstolpern – er ist auch ein quietschmunterer Spaßmacher; ein bisschen Gay-Geturtel gehört da heute wie selbstverständlich dazu. Zweifelsohne: Impulse ist eine erfrischend junge, unkonventionelle Show – und bestens geeignet, dem jungen Publikum die Hemmung vorm elitären Varieté-Abend zu nehmen. In Schlabberjeans ist man da gut angezogen. Und Ticket-Vergünstigungen gibt es auch. (Karin Dütsch) Abbildung:
Herr der Beats: Der Münchner Johnny Kay treibt die Artisten an. (Foto: GOP)

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