Kultur

Thomas Hauser in der Kurzinszenierung von Alberto Villarreal. (Foto: Julian Baumann)

16.02.2018

Lustige Gedenksause

Sieben Theatergruppen erinnern in den Münchner Kammerspielen an 1968

Erinnert sich noch jemand an die Besetzung der Berliner Volksbühne? Fünf Monate liegt dieser Medien-Hype zurück, der ungewollt eine Riesen-PR-Aktion war für den neuen Volksbühnen-Chef Chris Dercon, gegen den sich die Besetzung eigentlich richtete. Klar, dass da alle anderen Intendanten neidisch nach Berlin blickten. Aber an den Münchner Kammerspielen wollte man es beim Neid nicht belassen: wenn sich in der Landeshauptstadt schon keine echten Protestierer finden, dann veranstaltet das Theater seine Besetzung halt selbst. Und so feierte das Projekt 1968. Eine Besetzung der Kammerspiele Premiere, bei dem es um einen Hype geht, der nicht fünf Monate, sondern genau 50 Jahre zurückliegt. Eben um die Studentenrevolte von ´68, die heuer ihr großes Jubiläum feiert.

1968 in 15 Minuten

Weil das Ganze kein Veteranentreffen werden sollte, haben die Kammerspiele sieben junge Theatergruppen eingeladen, von denen jede 15 Minuten hat, um einen eigenen Blick auf 1968 zu werfen. Das Ergebnis erweist sich überwiegend als großer Kindergeburtstag, als lustige APO-Gedenksause mit Topfschlagen und Sackhüpfen.
Dafür braucht man: einen Knabenchor, Elfriede Jelinek mit einer stummen Videolesung, eine Drohne, die über dem Publikum kreist und vor allem Kissen. Viele große, weiße Plastikkissen, die prall mit Luft gefüllt sind und sich für alles eignen. Für Kissenschlachten, als Projektionsfläche für Filme und als Panzer-Attrappen – zur putzig-schaurigen Erinnerung an zwei Ereignisse von 1968: die Niederwalzung des Prager Frühlings und das Massaker, das die mexikanische Regierung zehn Tage vor den Olympischen Spielen in Mexiko an protestierenden Studenten verübte.
Erst mal schlurfen aber zwei Langhaarige in altmodischen Jeans und mit Öko-Stoffbeutel herein, um im Gespräch mit einem Zuschauer das Selbsterfahrungsgruppen-Geschwurbel und den Psycho-Jargon zu parodieren, die eher als Spätfolge oder sprachlicher Kollateralschaden von ‘68 anzusehen sind.

Blinkender Busen

Später schweben vier wilde Weiber in schrillbunten Outfits und mit blinkenden Brüsten vom Schnürboden herab, die nach eigenem Bekunden „hier für die feministische Position gebucht“ sind. Ob das, was sie dann performen eine gewollte oder doch eher unfreiwillige Parodie auf den Feminismus ist, wissen sie womöglich selbst nicht genau.
Aber keine Angst, es bleibt alles ganz easy, denn für Partystimmung sorgt am Schluss das französische Collectif Catastrophe mit einer Art Reminiszenz an die Spaßfraktion der Achtundsechziger: In silbrige Astronautenanzüge gekleidet, mixt diese fulminante Musiktruppe zirzensische André-Heller-Ästhetik und herrlich anarchische Statements, in denen sie etwa „das Recht, keine Meinung zu haben“ einfordert. Bravo! Denn eben dieses Recht möchte man als Kritiker an solchen Theaterabenden auch mal haben. (Alexander Altmann)

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