Kultur

Ein mit Amuletten behängter Korallenbaum ist Exponat der Wechselausstellung "Wer's glaubt wird selig". (Foto: Fränkisches Museum Feuchtwangen)

10.10.2017

Magische Rituale

Abwehrzauber, Amulett, Volksmagie: Eine Ausstellung im Fränkischen Museum Feuchtwangen über Aberglauben

Gefahren lauerten überall und die Angst vor Unheil war groß - entsprechend ausgeprägt war jahrhundertelang der Glaube an heilsbringende magische Rituale. Dass daran selbst Luther nichts ändern konnte, zeigt jetzt eine Ausstellung in Feuchtwangen. Die einen trugen "Himmelsbriefe" am Körper, andere gelochte Druidensteine um den Hals, und Schwangere mieden Kreuzwege wie der Teufel das Weihwasser. Es müssen tiefsitzende Ängste gewesen sein, die Menschen einst zum Schutz vor Hexerei, Blitz, Fehlgeburten und anderem Unheil zu den aus heutiger Sicht skurrilen magischen Praktiken greifen ließ. Manche Formen des Aberglaubens sind bis heute lebendig, in anderen verbinden sich Volksmagie und Religiosität zu zweifelhaften Formen der Frömmigkeit. Gemeinsam ist ihnen aber eins: Zu jeder Zeit ließen sich gute Geschäfte damit machen, wie derzeit eine Ausstellung im Fränkischen Museum Feuchtwangen zeigt. Unter dem Titel "Wer's glaubt, wird selig - Formen des Aberglaubens in Geschichte und Gegenwart" lädt die Schau mit 300 Exponaten zu einer Reise in die Welt der magischen Praktiken ein. Besucher, die über Volksmagie und Abwehrzauber milde lächeln und sie seit der Aufklärung für überwunden glaubten, werden am Ende der Ausstellung eines Besseren belehrt: Dort versprechen bis heute Strahlungsentstörungsgeräte Schutz vor angeblichen gesundheitsschädlichen Erdstrahlen, ein mysteriöser "Nord-Süd-Gleichschalter" vor Elektrosmog und Wünschelruten vor störenden Wasseradern. Und selbst der Hexenglaube, den viele längst für überwunden halten, reichte nach Recherchen von Museumsleiterin und Ausstellungsmacherin Susanne Klemm bis ins 20. Jahrhundert. Noch in den 1960er Jahren waren nach ihren Erkenntnissen Hexenbanner in Schwaben unterwegs, die in Häusern Exorzismus betrieben und Bauernhöfe vom angeblichen Hexenzauber befreiten. Die dafür unverzichtbaren Utensilien trug er in einem Koffer bei sich: Neben einem Zauberstab auch Nägel oder Pinzetten. Gegen Hexen, so die Volksweisheit, helfe vor allem Spitzes und Scharfes. Und selbst im protestantischen Franken, wo man lange glaubte, Luthers Verurteilung von Aberglauben habe die überlieferten magischen Vorstellungen verdrängt, war der Glaube an Hexen, Teufel und Zauberei lange lebendig. Das zeigen jedenfalls Prozessakten in der einstigen Markgrafschaft Ansbach, berichtet Klemm. So wurde im Jahr 1572 nach einem markgräflichen Erlass eine mehrtägige Turmstrafe all jenen angedroht, die einen Zauberer aufsuchten. Abschreckend wirkte das dennoch nicht. Im Jahr 1599 sind mehrere derartige Vergehen in Ansbach und im nahen Petersaurach dokumentiert. Am stärksten verbreitet waren Volksmagie und Aberglauben in Oberbayern und Schwaben. Von privaten Sammlern aus dieser Region stammen nach Klemms Angaben auch die meisten Leihgaben. Zum Aberglauben, so ihre Erkenntnisse, neigten "eher schlichte Menschen, vor allem auf dem Land". So skurril manche Amulette, Schutzbriefe und Abwehrzauber heutzutage auch wirkten, eines dürfe man dabei nicht vergessen: "Die Leute damals waren schutzlos Gefährdungen ausgesetzt, die wir heute gar nicht mehr kennen", gibt Klemm zu bedenken. Erstaunlich ist für Volkskundler bis heute die Fantasie, mit der Menschen seit Jahrhunderten banale Dinge mit vermeintlich magischen Kräften aufluden, um Unheil von sich abzuwenden. Da wurden nach Kirchenbränden für das neue Dachwerk 31 geweihte Herrgottsnägel in die Sparren geschlagen, Stalltüren mit Fellteilen, Zunderschwämmen und getrockneten Tierembryonen versehen. In bäuerliche Arbeitswerkzeuge wurden Pentagramme - fünfzackige Sterne - geritzt. Vom weit verbreiteten Aberglauben zeugen auch Amulette, die man am Körper trug. Wohlhabendere stellten sich kostbare Korallenbäumchen mit dichtem Amulettbehang in die gute Stube. Aufschlussreich sind für Volkskundler auch die vielfältigen Ausprägungen der Volksfrömmigkeit: Die meist auf der christlichen Lehre gründenden Formen vermischen sich mit heidnischen Überlieferungen - und gipfelten oft in groteskem Aberglauben. Zu ihnen gehörten beispielsweise die auch in Feuchtwangen gezeigten Breverl (Briefchen): Gefaltete und in kleinen Brokatkissen verstaute christliche Sinnsprüche und Gebete. Zum Schutz vor Dämonen und Besessenheit, Pest, Feuer, Unwetter wurden sie um den Hals oder am Körper getragen. Das Öffnen war tabu. Geradezu ausufernd waren die Formen des Aberglaubens bei Schwangerschaft und Geburt. Zum Schutz von Mutter und Kind vor dämonischen Angriffen durften nach Aufzeichnungen aus dem Jahr 1720 schwangere Frauen unter keinen Umständen unter aufgehängter Wäsche durchlaufen - zu groß sei das Risiko, dass sich das Kind im Mutterleib mit der Nabelschnur umschlingt. Und auch das Trinken an einer beschädigten Tasse war ihr verboten - das könne beim Kind zu einer Hasenscharte führen. Auf keinen Fall durften Schwangere erschreckt werden. Das könne später zu einer körperlichen Missbildung des Kindes führen. "Magische Dienstleister", so Museums-Chefin Klemm, hielten gegen Bares auch schon das passende Gegenmittel bereit: "Schrecksteine" als Schutzamulett. (Klaus Tscharnke, dpa) Abbildung:
Auf dass dem Tier nichts Böses widerfahren möge: Utensilien von Abwehrzauber an einer Stalltür. (foto: Fränkisches Museum Feuchtwangen)

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