Kultur

Auch das beschäftigte den vielseitigen Künstler: Diemer beim Malen am Bühnenbild für die Passionsspiele Oberammergau im Jahr 1930. (Foto: privat)

19.09.2014

Malender Chronist

Vom Postkartenidyll zum Schlachtenpanorama: Drei Ausstellungen erinnern an den fast vergessenen Zeno Diemer

Losgelöst von der Erde schwebt im Morgenrot der mächtige Zeppelin über dem Bodensee. Auch die erste Landung des Luftschiffs 1909 auf dem Münchner Oberwiesenfeld, umringt von Schaulustigen, hat der zu seiner Zeit gefeierte Zeno Diemer (1867 bis 1939) im Ölbild festgehalten. Gleich drei Museen in Oberammergau, Garmisch und Mittenwald erinnern derzeit an diesen malenden Chronisten, der mit großer Genauigkeit auch topografische Berglandschaften in extremem Weitwinkel schuf.
Wie ein Blick aus der Vogelperspektive erscheint zum Beispiel ein riesiges Adria-Panorama von der Küste Dalmatiens. Diemer war von der Schönheit einer Schleifmühle bei Unterammergau oder dem Gipfelkreuz der Zugspitze genauso angetan wie von den fernen Isis-Tempelanlagen im ägyptischen Niltal oder von der Stadt Mostar mit ihren kleinen Häusern, Brücken und Minaretten. Ihn interessierten die Schlittschuhläufer auf dem Eislaufplatz vor dem Schleißheimer Schloss an einem sonnigen Wintertag ebenso wie die Besucher eines Seebads am Gardasee in ihren langen, schweren Badekleidern.
Bei all seinen Werken war für die Bildfindung die Wahl des Standpunkts und damit die besondere Perspektive entscheidend – ein unverkennbares Charakteristikum von Diemers Kunst.
Er war ein akademisch geschulter Maler, der zielgenau den Geschmack des Publikums der Jahrhundertwende traf. Der Absolvent der Münchner Kunstakademie war kein Anhänger der Moderne. Die Abstraktion war kein Gegenstand seines Kunstwollens. Mit seinen Seestücken – Schiffe in der tosenden Nordsee, auf denen er selbst an Bord war bei einer Nordlandreise – knüpfte er stattdessen an die Tradition der Marinemalerei an, die unter Kaiser Wilhelm II. ihren Höhepunkt hatte.
Seine Landschaften blieben dem Naturalismus treu. Seine Begeisterung für die Errungenschaften der Technik fand ihren Ausdruck in den akribisch bis ins Detail ausgearbeiteten Technik- und Wissenschaftsbildern. Sie entstanden als Auftragswerke für das 1906 gegründete Deutsche Museum ebenso wie seine Dioramen, deren Illusionismus und Tiefenwirkung plastische Elemente im Vordergrund steigerten.
Zum eigentlichen Blendwerk der Täuschung gehörte aber seine Panoramamalerei, ein werbewirksames Unterhaltungs- und Massenmedium. Für Aufsehen sorgte sein auf der Weltausstellung in Chicago gezeigtes künstlich beleuchtetes Alpenpanorama, das die Besucher mit Kuhglocken, Gebirgshörnern und Jodlern am Eingang fesselte und im Inneren mit elektrischen Windmaschinen in stürmische Höhen zu versetzen schien.
Einziges noch heute von seiner Hand erhaltenes Rundpanorama zeigt am mehr oder weniger authentischen Ort in Innsbruck Die Schlacht am Berg Isel, als Tiroler Bauern gegen Franzosen kämpften. Wie nahe hier Kunst der Realität kommt, zeigt eine Notiz aus Diemers Lebenserinnerungen: Weil ein alter Bauer das gemalte Wachfeuer für echt hielt, wollte er es löschen und war dabei ins Panoramagemälde gestürzt.
Diese Großprojekte machten Diemer wohl bekannt, aber nicht reich. Im aufblühenden Zeitalter technischer Reproduktionskunst lieferten deshalb viele seiner Aquarelle und Gouachen die Vorlage für seine, in Sammelalben aufbewahrten, beliebten Postkarten – eine lukrative Einnahmequelle neben seinen Werbeplakaten, Schulwandbildern, Reliefkarten und Illustrationen für die sich zur Hochblüte entwickelnde Publizistik.

Motive vor der Haustür

Immer wieder hielt er Reiseeindrücke in Skizzen und Aquarellen fest, die in seinen späteren Ölbildern ihren Niederschlag fanden. Viele Motive entdeckte der vielseitig begabte Künstler direkt vor der Haustür in seiner Geburtsstadt München. In der dortigen Gabelsberger Straße hatte er noch ein Atelier, als sein Lebensmittelpunkt längst in Oberammergau lag, wo bereits sein Vater und sein Großvater, Bürgermeister der Gemeinde und Chorführer beim Oberammergauer Passionsspiel, Wurzeln geschlagen hatten. In München lernte er auch seine spätere Ehefrau Hermine, die Tochter der bekannten Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern (Die Geierwally) bei der Aufführung des selbst verfassten Theaterstücks Die Zauberamsel kennen.
Einen Überblick über Diemers sein Oeuvre präsentiert das Oberammergau Museum. Im benachbarten Werdenfels Museum in Garmisch sind vor allem seine Berg- und Technikbilder der Region zu sehen, während das Geigenbaumuseum in Mittenwald den Schwerpunkt auf das druckgrafische Werk gelegt hat.
(Angelika Irgens-Defregger)
Bis 2. November. Die drei Museen haben geöffnet: Mo. bis So. 10 – 17 Uhr.
Oberammergau Museum,Dorfstraße 8, 82487 Oberammergau.
www.oberammergaumuseum.de
Werdenfels Museum, Ludwigstraße 47, 82467 Garmisch-Partenkirchen. www.werdenfels-musem.de
Geigenbaumuseum, Ballenhausgasse 3, 82481 Mittenwald.


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