Kultur

Neben Privatgärten und Volksgärten spielen die Plätze in Bamberg eine wichtige Rolle: als Verkehrsverteiler ebenso wie als Flaniermeilen mit Ruhezonen. Zweckvorstellungen, zunehmender Verkehr und der Pflegekostenaufwand diktieren allerdings den Gestaltungswandel – zum Beispiel des einstigen Schießhausplatzes vor einer Kaserne am Langgasser Tor, dem heutigen Schönleinsplatz, Ende des 19. Jahrhunderts wich das alte Schießhaus einem schmucken Haus mit gehobenem Restaurantbetrieb (rechts). Heute grollt mancher über ein belangloses Bankgebäude an dieser Stelle; Anbaupläne liegen in der Schublade, die abermals das Gesicht des Platzes verändern werden. (Foto: Stadtarchiv Bamberg)

31.08.2012

Meditieren, flanieren, protzen

Das Stadtarchiv Bamberg stellt die vielfältige Gartenlandschaft in der Weltkulturerbestadt an der Regnitz vor

Türme charakterisieren Bambergs Silhouette: Da ist hoch droben der Turm der Altenburg, aber überwiegend sind es die himmelwärts weisenden gebauten „Fingerzeige“ von Klöstern und Kirchen, allen voran die vier grazilen Domtürme, die das Stadtbild überragen – nicht nur geografisch und architektonisch, sondern auch in der gedanklichen Annäherung. Das Bild vom bedeutenden geistlichen Zentrum, gleichsam gekrönt als Lieblingsort des heilig gesprochenen Kaisers Heinrich, und wegen seiner sieben Hügel auch gleich noch assoziativ verbunden zur Ewigen Stadt Rom, ist das eine signifikante Image Bambergs.
Das andere beschreibt die profane Stadt „unten“: Die Heimat der „Zwiefeltreter“, der Gärtner und Häcker. Der bäuerlich-gewerbliche Garten- und Ackerbau hat die Stadt an der Regnitz einst zu einem Handelsort von europaweiter Bedeutung gemacht. Die historische Struktur des zum Teil bis heute betriebenen Erwerbsgartenbaus mitten in der Stadt, ist – wenn auch zunehmend bedroht – erhalten geblieben.
Dass sich zwischen und im Dialog mit diesen beiden Lebenswelten, noch ein drittes spannendes Bild von Bamberg entdecken lässt, zeigt das Stadtarchiv in einer konzentrierten, systematisch arrangierten Ausstellung: In ihr geht es um die vielen Gärten und Parks, die nicht – zumindest nicht primär – der Nahrungsversorgung dienen, sondern die andere Funktionen der gestalteten Landschaft erfüllen: Zier, Erholung, Repräsentation. Das Miteinander von Fürsten, Adel und Bürgern in der Residenzstadt war über die Zeiten hinweg kein starres Gefüge, und so spiegelt auch die Gartenkultur den sich wechselnden Zeitgeist und Moden.

Orangerie und Aufzug

Da wandelt sich der Typ Klostergarten vom meist abgeschiedenen Ort nicht nur der Meditation, sondern auch der Versorgung mit Küchengemüse und Heilkräutern (abgegangenes Klarissenkloster) hin zum barocken Lust- und Prachtgarten nach französischem Vorbild mit Orangerie und in jüngerer Zeit zum mit einem Aufzug erschlossenen Flanierort (St. Michael).
Bemerkenswert ist die Umgestaltung des Geyerwörth-Gartens vom Irrgarten eines Sommeranwesens zum fürstbischöflichen Repräsentationsgarten, der in jeder Reisebeschreibung bewundernde Erwähnung fand, hin zum Stadtbadgarten, der verlotterte, dann aber als Rosengarten neu angelegt und gerade rechtzeitig zur Landesgartenschau 2012 aufgehübscht wurde.
Ein Meer von blühenden Rosen lockt heute die Touristenströme in den Garten der Neuen Residenz auf dem Domberg, der in den vergangenen über 400 Jahren auch schon die unterschiedlichsten Funktionen erfüllen musste: Mal als Nutzgarten mit Obstbäumen und Gemüse, dann als rabattengesäumter Hort von gut 3000 Rosensorten und auch als Tennisplatz.
Als sich im 17. und 18. Jahrhundert der führende Adel im Bamberger Umland Jagd- und Sommerresidenzen errichtete, die oft raumgreifende Herrschaftsansprüche signalisierten, war eine aufwändige Gartengestaltung maßgeblich für den ersten Eindruck: grandios noch heute die Wirkung der Kaskade vor Schloss Seehof in Memmelsdorf, die Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim installieren ließ; 400 Skulpturen von Ferdinand Tietz zeigten dem Besucher, dass hier ein kunstsinniger Hausherr auf der Höhe seiner Zeit residierte.
Gleiches taten die vom legendären „Bauwurmb“ befallenen Schönborns zum Beispiel in Schloss Weißenstein bei Pommersfelden: Wasserspiele mit Springbrunnen und Kaskaden, Pomeranzen- und Feigenbäume, Skulpturen... Und dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Umwandlung: der englische Landschaftsgarten wurde modern. Die „gekünstelte“ Gartengestalt mit symmetrisch exakt geplantem Wegenetz und Beeten wurde „natürlich“ umgeformt, suchte Anschluss an die umgebende Natur und kapselte sich nicht mehr als „wohlgestaltete“ Insel (auch ein Abbild des absolutistisch geführten Staates) von der unkultivierten Wildnis ab.

Starbaumeister verpflichtet

Das Savoir Vivre des geistlichen und weltlichen Hochadels imitierten vor allem im 18. Jahrhundert Hofbeamten der gehobenen Schicht und schließlich das vermögende Bürgertum. Der Geheime Rat Johann Ignaz Tobias Böttinger (1675 bis 1730) baute sich erst ein aufwändiges Wohnhaus im Stil eines italienischen Palazzos: Trotz steiler Hanglage hat das Haus einen wunderschön intimen, verspielten Garten – terrassiert ermöglicht er den Zugang von jeder Etage des Hauses aus. Böttinger ließ sich schon bald ganz in der Nähe, diesmal direkt an der Regnitz, ein weiteres Wohnhaus errichten – für das Wasserschloss verpflichtete er den Baumeister von Schloss Pommersfelden, Johann Dientzenhofer. Dieses Stadtschlösschen, die heutige Villa Concordia (inzwischen Sitz des Internationalen Künstlerhauses) hatte ebenfalls einen Garten: Fest ummauert ignorierte er die Landschaft drumherum, vor allem den Fluss.
Anders ging Böttinger bei einer terrassierten Gartenanlage vor, die sich von der Regnitz den Stefansberg hinauf erstreckte: Sie war als Erholungspark gedacht, zeichnete sich vor allem durch einen Lärchenbestand aus. Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts diese Bäume gefällt werden sollten, erwarb der Tabakfabrikant und Naturliebhaber Theodor Groß das Areal und noch weitere angrenzende Grundstücke. Dem Ideal eines englischen Landschaftsgartens folgend, ergänzte er den heimischen Baumbestand mit Sträuchern und Gehölzen aus anderen Erdteilen. Kriegs-, Sturm- und Frostschäden haben diesem Groß’schen Garten zwar stark zugesetzt, aber er ist noch immer ein gärtnerisches Kleinod (im Privatbesitz), das inzwischen zum Landschaftsschutzgebiet „Leinritt-Hain“ gehört.
Der zweiteilige „Hain“ ging nicht aus einem der zahlreichen privaten Villengärten Bambergs hervor, er wurde als stadtnahes öffentliches Erholungs- und Erbauungsgelände in einem ehemaligen Auenwald errichtet – und war 1803 ein Geschenk des gerade erst gekürten bayerischen Königs Max I. Joseph an seine „Neu-Bayern“. Dieser „englische Garten“ wurde nach des Königs Schwiegertochter Theresienhain genannt. Das königliche Geschenk war streng genommen kein solches: Die Bürger hatten quasi nur das Nutzungsrecht. Die Stadt kaufte es dem Staat 1870 ab; schon in den Jahrzehnten zuvor hatten die Stadtväter sukzessive angrenzendes Land erworben. Und ab 1911 wurde dann noch der sogenannte Luitpoldhain ausstaffiert. Bis in die 1920er Jahre konnten Spaziergänger im Hain auf Sammler treffen, die Eicheln als Kaffeeersatz oder Hagebutten, Holler- und Vogelbeeren sowie Kastanien für die städtischen Krankenhausküchen aufklaubten. Die wirtschaftliche Nutzung (auch Schweine wurden dort gemästet) ging einher mit der Nutzung für den Sport: Rennradler zogen ihre Kreise, Tennisspieler hauten sich die Bälle um die Ohren.
Zur ersten Adresse der Sportler avancierte in Bamberg allerdings ab 1928 der neue Volkspark an der Pödeldorfer Straße, wo ein Stadion als moderne Wettkampfarena gebaut wurde.

Erholsame Arbeitspause

Ein Kapitel der Ausstellung widmet sich den Fabrik- und Behördengärten, die im 19. Jahrhundert angelegt wurden. Zum einen waren sie im Eingangsgelände der meist großen Gebäudeensembles zierender Schmuck, umgaben oft auch das repräsentative Wohnhaus der Eigentümer. Zum anderen waren sie für die Mitarbeiter gedacht, die sich in ihren Pausen dort erholen konnten – oder die dort gar kleine Nutzgärten zur Selbstversorgung pflegen durften. Beispielhaft sind die Gärten der Brau- und Malzfabrik Weyermann sowie der Baumwoll-Spinnerei und Weberei. Letztere war auf dem heutigen ERBA-Gelände zu finden – und das ist ja derzeit Ort der Landesgartenschau, die das heutige Verständnis von innerstädtischem Grün modellhaft demonstriert.
Eben die Landesgartenschau war für das Stadtarchiv Anlass zu dieser Sonderausstellung: Bei 9560 laufenden Metern und rund 1,5 Millionen Fotos im Bestand hat sich das kommunale Archiv lobenswerterweise streng diszipliniert (was freilich auch eine Frage des Ausstellungsraumes und der Mitarbeiterkapazität ist): Geordnet nach Typologien auf einem Zeitstrahl bilden die Pläne, Zeichnungen und Fotos zitathaft ein gutes Gerüst für eine besondere Erkundungstour durch Bamberg, die zu manch lohnendem Über-den-Zaun-lugen oder Abstecher zwischen Häuser hindurch (bei geöffneten Türen gar in die Häuser hinein) animiert.
Das Stadtarchiv selbst hat engen Bezug zum Thema: Es befindet sich im ehemaligen Chirurgischen Pavillon, der 1901 im Botanischen Garten der Parkanlage des Krankenhauses errichtet wurde. Spaziergänger sieht man in der heute zweckmäßigen Gartenanlage kaum noch: Wer zum Nobelhotel im 1786 von Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal initiierten Krankenhaus kommt, darf sich über bequeme Zufahrtswege zur Tiefgarage freuen. (Karin Dütsch)

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