Kultur

Das Neue Museum Nürnberg kann sich rühmen, die drittgrößte Sammlung mit Gerhard Richter-Bildern weltweit zu besitzen. (Foto: NMN)

12.12.2014

Meister des Stilbruchs

Das Neue Museum in Nürnberg zeigt beeindruckende Gerhard Richter-Bilder

Das Staatsmuseum für moderne Kunst Nürnberg ist mit einem Schlag in die Liga der international beachteten Museen für Kunst der Nachkriegszeit aufgestiegen; Ein Museum, das jetzt wie wenige andere Häuser in Deutschland vor allem die deutsche Malerei von den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts an repräsentieren kann. Zu danken ist das großzügigen Dauerleihgaben der Berliner Sammlung Böckmann, die dem Nürnberger Haus größere Konvolute von Gerhard Richter, Gotthard Graubner und A. R. Penck überließ, die das Museum in der nächsten Zeit in großen Sonderausstellungen vorstellt.
Für das Nürnberger Staatsmuseum bedeutet das, so Kurator Thomas Heyden, einen Quantensprung, nicht nur, weil man in die erste Riege der international renommierten Museen aufgestiegen ist, sondern weil man sich mit diesem Sammlungsbestand künftig für Ausstellungen auch Leihgaben anderer Häuser einhandeln kann, die man nicht bekäme, wenn man selbst nicht diese großartigen Bilder zu bieten hätte.

Kleine Retrospektive

Den Auftakt zum Ausstellungszyklus machen 29 Werke von Gerhard Richter, weltweit der derzeit höchst gehandelte Künstler überhaupt. Und das Nürnberger Museum kann sich jetzt rühmen, die weltweit drittgrößte Sammlung mit Gemälden des deutschen Künstlers zu haben. Die Ausstellung bietet denn auch einen hervorragenden Überblick über das Gesamtwerk Richters. Man kann gar von einer kleinen Retrospektive sprechen, weil die Schau den überwältigenden Kosmos dieses, ein halbes Jahrhundert umfassenden malerischen Ouevres auslotet.
Das beginnt mit frühen Werken des 1932 in Dresden geborenen Künstlers, der 1961 in die Bundesrepublik übersiedelte, an der Düsseldorfer Akademie studierte, (wo Joseph Beuys höchst umstritten lehrte), und zusammen mit Sigmar Polke (und anderen) als Gegenposition zum „Sozialistischen Realismus“ der DDR den „Kapitalistischen Realismus“ kreierte.
Schon mit seinen ersten, damals entstandenen Bildern, seinem Waldstück von 1965 etwa, dem Entree der Nürnberger Ausstellung, stellte Richter die vorherrschende Kunst in Frage; und stellte sich die scheinbar paradoxe Frage: Wie kann man ein Bild malen, ohne ein Bild zu malen. Seine Absicht: „Nichts erfinden, keine Idee, keine Komposition, keinen Gegenstand, keine Form – und doch alles erhalten: Komposition, Gegenstand, Form, Idee, Bild.“
Also malte Richter nach Fotografien – nicht im Stile des amerikanischen Fotorealismus, sondern in klassischer Manier mit Pinsel und Öl auf Leinwand, was seinen kruden Gemälden eine Unschärfe verlieh, die sie zu – auf den ersten Blick – abstrakten Bildern machte. Dabei waren sie weder gegenständlich noch ungegenständlich, denn sie bildeten ja einen Gegenstand, die Fotografie, ab. Exemplarisch dafür steht in der Ausstellung das Bild Olympia, eine Hommage an ein Gemälde Manets, tatsächlich aber ein Bild aus Richters Zyklus so genannter „Pornografien“, die ganz und gar unvoyeuristisch nicht einen „gemalten Akt“, sondern recht eigentlich nur den „malerischen Akt“, den Akt des Malens zeigen.
Mit solchen Diskontinuitäten und Ambivalenzen entwickelte sich Gerhard Richter zum Meister des Stilbruchs, der Farbmuster genauso malerisch reproduzierte wie er Seestücke, Wolken oder in seinem berühmten RAF-Zyklus nach Polizeifotos die Leichen von Gudrun Ensslin, Michael Baader und Ulrike Meinhof malte. Oder in unübertroffenem Naturalismus klassische Genre-Bilder von Landschaften (nach)malte, wofür etwa die Brücke (am Meer) von 1969 steht.

Privatleihgaben von Richter

Von Thomas Heyden, dem Kurator, glänzend chronologisch gehängt (das Arrangement wurde von Gerhard Richter persönlich „abgesegnet“ und in Nuancen, aber höchst sinnfällig verändert und durch eigene Leihgaben ergänzt), entfaltet sich in dieser Ausstellung das gesamte Panorama des ebenso konsequenten wie vielfältigen, ja sich scheinbar widersprechenden Ouevres eines Künstlers, der wie kaum ein anderer immer wieder sich selbst, den Künstler, das Kunstwerk und damit die Kunst der Gegenwart problematisierte – und dabei doch wieder große Kunst machte. (Fridrich J. Bröder) Bis 22. Februar. Neues Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design, Klarissenplatz, 90402 Nürnberg.
Di. bis So. 10 – 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. www.nmn.de Abbildungen (Fotos: NMN)
Wie malt man ein Bild, ohne ein Bild zu malen? Eine paradoxe Frage – hier drei beispielhafte Antworten von Gerhard Richter (von oben): Olympia (1967), Seestück (bewölkt) von 1969 und ein Ausschnitt aus dem Ölgemälde Blumen von 1994. 

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