Kultur

Ein roter Faden leitet die Besucher von der Herstellung des Stoffs und den Produktionsabläufen in den Maschinenhallen über Kabinette mit Modebeispielen in zeithistorischen Inszenierungen bis hin zum Modellkleid auf dem Laufsteg. Foto: Matthäus

22.01.2010

Mode, Muster und Maschinen

Ein wichtiges Kapitel bayerischer Wirtschaftsgeschichte: das neue Textil- und Industriemuseum Augsburg

Laute Diskomusik ist vergleichsweise leise gegenüber dem Lärmpegel, den die Spinning-Jenny und ihre Webmaschinen-Schwestern im staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg („tim“) im Raum der Maschinensammlung verursachen können. Wenig Fantasie ist hier nötig, um sich vorzustellen, wie es den Arbeitern und Arbeiterinnen in der knapp 200-jährigen Industriegeschichte ergangen sein mag, wie beschwerlich ihr Berufsalltag war. In den für das Museum renovierten Shedhallen der ehemaligen Augsburger Kammgarnspinnerei (AKS) laufen die Fäden von Vergangenheit und Zukunft auf historischen Webstühlen und modernen Hightech-Maschinen zusammen. Nach Jahren zähen Ringens um den Standort und die Finanzierung wurde vergangene Woche das „tim“ als erstes Landesmuseum in Schwaben eröffnet. Gemeinschaftlich haben der Freistaat, der Bezirk Schwaben und die Stadt Augsburg der einst für die Region wirtschaftlich so bedeutenden Textilindustrie in dreijähriger Bauzeit für 21 Millionen Euro auf 2500 Quadratmetern ein bemerkenswertes Denkmal gesetzt. Der Grazer Architekt Klaus Kada verwandelte das ehemalige Fabrikgebäude in einen Kulturbau, hinter dessen Backsteinwänden die Schicksale der hier einst hart arbeitenden Menschen nicht in Vergessenheit geraten sollen und noch immer spürbar sind. Wandgrafiken mit Bildern der historischen Produktionsstätten verbinden die funktionstüchtigen Maschinen mit dem „Damals“. Dorthin, wo die Existenz für Tausende von Textilern lange Zeit gesichert war, führt einer der Erzählstränge der Museumskonzeption. Den Produktionsweg vom Rohstoff bis zum Modellkleid kennzeichnet sinnfällig ein roter Faden als Bodenmarkierung, dem die Besucher sicher durch alle Räume und Kabinette folgen können. Doch so farbenfroh wie im Raum für Museumspädagogik, so informativ wie durch die Berichte ehemaliger Beschäftigter an verschiedenen Hörstationen haben die Textiler ihre Arbeitswelt sicher nicht immer erleben können. Ausstellungskuben mit begehbaren Raumbildern dokumentieren die wechselhafte Geschichte der bayerischen Textilindustrie, beginnend mit dem Weberhandwerk im 16. Jahrhundert und niedergehend im 20. Jahrhundert, als die Fertigung mehr und mehr nach Fernost verlagert wurde. Dorthin sind die rund 1,3 Millionen Stoffmuster der ehemals Neuen Augsburger Kattunfabrik (NAK) zum Glück nicht mitgegeben worden – zu verdanken ist dies dem „Verein zur Förderung eines Textilmuseums in Augsburg e.V.“ Quasi in letzter Minute kaufte der Freistaat Bayern die 550 Musterbücher, die so kostbar sind wie Folianten in Bibliotheken und als nationales Kulturgut nun das Herzstück des neuen Museums bilden. Nur 20 Exponate der lichtempfindlichen Kollektion werden in der Mittleren Halle jeweils nur einige Monate ausgestellt. Das Stuttgarter Atelier für Museumsdesign und Innengestaltung hat diese Stoffmuster digitalisiert und den Besuchern ermöglicht, selbst kreativ in die Welt der Mode einzutauchen. An einem interaktiven Terminal können drei, sich auf einem roten Teppich-Laufsteg drehende überlebensgroße Puppen virtuell bekleidet werden mit Stoffmustern aus den 1780er bis 1990er Jahren – das ist Museumserlebniswelt für Erwachsene und Kinder. Wer also in Augsburg in der Welt der Stoffe, Muster, Motive und Farben auf Entdeckungsreise geht, dem eröffnen sich in der Dauerausstellung auch Wege zu Abläufen von Produktion, Veredelung und Verarbeitung der Materialien sowie der Zugang zur Geschichte der bayerischen Textilindustrie. Darüber hinaus sind Sonderveranstaltungen wie Firmenpräsentationen, Modeschauen, Theateraufführungen und Konzerte auf dem 1000 Quadratmeter großen Obergeschoss geplant. (Sybille Schiller)

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