Kultur

Von wegen: nur Weiß! Der Blick des Ausstellungsbesuchers wird geschärft für den Nuancenreichtum, den Künstler ausloten. Hier die "Große Fluse" von Heike Kern. (Foto: Kern)

16.01.2015

Nuancenreiche Leere

Eine Ausstellung im Würzburger Kulturspeicher beschäftigt sich mit der Farbe Weiß

Weiß ist nicht gleich weiß: Das wird dem Betrachter gleich deutlich in einer Ausstellung des Würzburger Museums im Kulturspeicher, in der sich eben alles um die Farbe Weiß in der Kunst der Moderne und der Gegenwart dreht – angefangen bei den spätesten Impressionisten, endend mit Fotografien, einem Video und der Großen Fluse von Heike Kern.
Besonder Rollen spielen gerade in der Auseinandersetzung mit dieser Farbe das Material, die Oberfläche, die Struktur, die durch Plastizität erzielte Schattenwirkung, letztlich das Licht.
Zu entdecken sind viele Nuancen von Weiß. Es wurde einst und heute noch immer verwendet als Hintergrund-Farbe, als Misch-Mittel zum Aufhellen, zum „Höhen“ und Akzentuieren. Und es steht für Leere, Ruhe, für Offenheit, für Unendlichkeit.

Räumliche Irritationen

Die ausgestellten 115 Werke lassen sich grob zu Gruppen zusammenfassen. Da sind zum Beispiel winterliche Schneebildern, etwa von Slevogt. Dass von Caldaras Silenzio bianco (1932) ein Weg zu seinem „leeren“ Spazio luce (1960/61) führt, vom Erkennbaren zur Ablösung von einer irgendwie ablesbaren Form, hin zur freien weißen Fläche, bedeutet einen gewaltigen Schritt.
Mit den „Konstruktiv-Konkreten“ ab den 1920er Jahren beginnt etwas Neues: Dafür stehen etwa der Nabelhut von Arp als Wandrelief oder die Raumkonstruktion von Rodstchenko als freie Plastik. Dabei fällt auf, dass das plastische Element konstruiert, zusammengesetzt scheint aus Flächen und Streben.
Ein drittes Ensemble mit vom Weiß geprägten Werke bilden Arbeiten der Gruppe „Zero“. Dazu zählt zum Beispiel Lucio Fontana mit seinen Einschnitten in eine weiße Fläche: ein Versuch, Räumlichkeit zu erzielen. Auch Heinz Mack mit seinem Strahlenfeld, einer dynamischen, grauweißen Struktur auf Weiß gehört dazu, ebenso Hermann Bartels mit einem monochromen Spachtelbild sowie viele plastische weiße Werke wie Ueckers Nagelbilder, Manzonis Achrome, die Twisted Strings Reliefs von Leblanc, Colombos bewegte Würfel, Christens Wand-Relief, Zangs weiß übermalte Materialbilder. Die Fluktuation der Farbe sorgt da oft für räumliche Irritationen.
Amerikanische Künstler nahmen solche Anregungen auf, untersuchten vor allem Materialqualitäten von Weiß-Pigmenten und ihre Reaktion auf das Licht. Robert Ryman oder Phil Sims taten dies, und Harriet Roman deutete Räumlichkeit durch Streifen an.
Bei zeitgenössischen Künstlern wird Weiß wieder mehr gegenständlich als Inhalt umgesetzt, etwa von Inge Dick, die ihre Spachtelzüge rhythmisch verteilt als Grate stehen lässt oder versucht, Licht zu fotografieren. Weiße Objekte beinhalten oder lassen rätseln über Spuren, etwa bei den würfelartigen Wandtafeln der Broderies von Susanne Lyner, bei textilen Gespinsten, bei Faltungen oder Verflechtungen; Fußspuren im Schnee oder weiße Rechtecke als Spuren an einer Tapete gehören auch zum Thema.
Aus Alltagsmaterial entstanden sind strukturelle Werke, wie die Bodeninstallation von Timm Ulrichs: Zwei konzentrische große Kreise aus Salz und Zucker, oder die Salzgemälde von Markus Wirthmann.
All diese Weiß-Darstellungen bewirken eines: Die Schärfung des Blicks für Nuancen. (Renate Freyeisen) Bis 22. Februar. Museum Kulturspeicher, Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg. Di. 13 - 18 Uhr, Mi. 11 - 18 Uhr, Do. 11 - 19 Uhr, Fr./ Sa./ So. und Fei. 11 - 18 Uhr. www.kulturspeicher.de

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