Kultur

Aris Argiris als Oreste in der konzertanten Aufführung - im Hintergrund Steven Ebel als Pilades. (Foto: Ludwig Olah)

25.07.2016

Oper zum Abgewöhnen

Gluck-Festspiele: Eine leidlich uninspirierte "Iphigenie in Aulis" von Richard Strauss

„Für die deutsche Bühne bearbeitet“: Richard Strauss war im Gefolge der Wagnerschen Gluck-Bearbeitung von „Iphigenie in Aulis“ und seiner Verknüpfung mit nationalen Gedanken im Cosima-Wagner-Bayreuth der Meinung, den deutschen Gluck aus französischen Händen reißen zu müssen. Knappe zwei Jahrzehnte nach dem deutsch-französischen Krieg war Glucks Pariser Opernreform zum Politikum geworden. Und hat Strauss 1890 in der Partitur nicht nur ein paar Retuschen angebracht, sondern den Text vollständig und mit ein paar Goethe-Anleihen neu gedichtet, hat Szenenfolgen verändert, einen neuen Schluss komponiert und die Instrumentierung „wenigstens einigermaßen den Bedürfnissen der heutigen Zeit“ angepasst. Der Beifall von Cosima war ihm damit sicher, aber nicht der des Theaterbetriebs: Erst 1900 war die Uraufführung der Bearbeitung im großherzoglichen Weimarer Hoftheater –  da war Strauss schon lange weg, seine „Iphigenie“ klingt aber heute noch danach. 116 Jahre brauchte es bis zu einer  Fürther Aufführung im Rahmen der diesjährigen „Internationalen Gluck Opern Festspiele“. Nach drei Akten und zwei Stunden geht es einem bei dieser Strauss-„Iphigenie“ genauso wie beim Strauss-„Idomeneo“ nach Mozart, wie man ihn von den Salzburger Festspielen noch in Erinnerung hat: Heute ist das Original „lebensfähiger“ als die Kaiserreich-Kopie. Zum Teil lag das sicher an dem wenig inspirierenden Dirigat von Christoph Spering: müde und matt klingt dieser Gluck-Strauss im Orchester der Prague Philharmonia, ein paar pompöse Pauken- und Trompetenpassagen machen viel Langeweile nicht wett. Die Fürther Bühne ist mit Orchester und Chor (der Konzertchor Nürnberg-Fürth ist weit hinten postiert und setzt wenige Klangakzente) mächtig voll. Aber die Ballettmusiken zeigen, dass die Glättung bei der Instrumentierung  Glucks Musik  eine Menge von ihrer  Wirkung nimmt. Strauss ging es bei seiner Fassung besonders  um das Psychogramm der antiken Psychopathen. Die konzertante Fassung im Frack vermittelt in ihrer konventionellen Betulichkeit wenig von deren existenziellen Nöten, von dem Furor, den Gluck entfaltet: es herrschte eher Kammersänger-Atmosphäre. Mit Christoph Spering (den Bruder von Andreas) hatte man zwar laut Papierform den richtigen Mann für die „Ausdehnung der historischen Aufführungspraxis“ engagiert, deren Feuer konnte er unter der Strauss-Fassung nicht entzünden. Auch wenn Anna Dennis divenhaft eine wunderbar klingende und artikulierende Iphigenie war, Aris Argiris als ihr Bruder ein bärbeißig-dramatischer Bariton mit Verdi-Dimensionen. Oder Steven Ebel ein nobler Pilades mit gutturalem Timbre. Insgesamt: Oper zum Abgewöhnen – aber auch das kann eine notwendige Gluck-Festspiel-Facette sein. (Uwe Mitsching)

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