Kultur

"Boites à lettres No. II." von Daniel Spoerri. (Foto: MMK/VG Bild-Kunst)

12.08.2011

Opulente Zauberei

Daniel Spoerris Ausstellung "Out of Africa" im Passauer Museum Moderner Kunst

Zunächst ließ sich Daniel Spoerri als Tänzer ausbilden. Das war in Zürich, wohin der in Rumänien geborene Künstler (81) mit seiner Mutter und fünf Geschwistern vor den Nazis geflohen war. Bis seine ersten „Fallenbilder“ entstanden, mit denen er bekannt wurde und die der wohl originellste Beitrag zur Kunst des 20. Jahrhunderts sind, tanzte er am Berner Stadttheater und arbeitete als Choreograf und Regisseur in Bern und Darmstadt.
Die „Fallenbilder“ waren ihm „zugefallen“, ihm, der sich lange als Diener des Zu-falls verstand, ehe er begann, das ihm Zugefallene, wie beim Theater, zu arrangieren. Die Accessoires blieben von Anfang an bestimmend: Messer, Gabeln, Zirkel für stigmatisierende Verletzungen, Tierkadaver, Essensreste, Stricke, Knochen, Haare und allerlei Wirkmächtiges und Kultträchtiges, was der leidenschaftliche Flohmarktgeher aufstöberte. Häufig sind die „objets trouvés“ mit Erinnerungen verbunden, haben die Assemblagen autobiografische Aspekte.
Spoerri ist ein großer Sammler, Märchenerzähler und Zauberer. Das Museum Moderner Kunst in Passau legt in seiner aktuellen Ausstellung den Schwerpunkt auf den Afrika-Aspekt seines Werkes, mit Assemblagen und Bronzen sowie Kultgegenständen und Objekten aus Spoerris Sammlung.
Seit den 1980er Jahren gestaltet Spoerri „ethno-synkretistische“ Objekte, bei denen er Teile seiner Afrika-Sammlung zu Werken verarbeitet. Dabei entsteht so Aktuelles wie die Hommage an den Künstler und Schriftsteller Roland Topor (1938 bis 1997), der mit dem Gastronomiekritiker und Kochpapst der Deutschen, Wolfram Siebeck befreundet war. So schließt sich der Kreis zum Kulinarischen, das in Spoerris Werk eine besondere Rolle spielt. Es entsteht ein so genialer Wurf wie die vier Figuren auf der Leiter, die unternehmungslustig auf Abenteuerfahrt ziehen. Sie entpuppen sich als Spoerri-spezifisch ironisch-mystische Viererbande zwischen Kultfigur und volks-künstlerischer Verarbeitung eines Teigtrogs über eine surrealistische Büste zum Anatomiemodell mit Eishockeyhelm. Dass die Vier auf ihrer zum Schiff oder Schlitten umfunktionierten Leiter eine völlig andere Ausstrahlung bekommen, wenn sie als Bronzegüsse aufmarschieren, führt die Ausstellung vor Augen.
Spoerri weiß, was passiert, wenn unstimmige Objekte in ein anderes Material überführt werden. Wenn das Flair des „objet trouvé“ in ewige Bronze gegossen wird, dann wird aus Spaß Ernst.
An originär Volkstümliches erinnern die anrührenden „Eintagskästchen“, in Bayern bekannt als Eingerichte. Es hat einige Zeit gedauert, bis Spoerri es gewagt hat, die religiösen Stücke der Stammeskulturen für seine künstlerischen Zwecke zu nutzen. Erst als er sah, wie unbefangen Objekte aus unserem Kulturkreis in den afrikanischen integriert wurden, begann er, sie für sich zu interpretieren. Man sieht ihm dabei gerne zu, dem Künstler, der die Welt so opulent verzaubert. (Ines Kohl)

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