Kultur

Aus der Traum vom gemütlichen Flanieren: Die „Dead Mall“ in Ohio, 1975 erbaut und 2008 geschlossen. (Foto/Ausschnitt: Seph Lawless)

16.09.2016

Paradiesische Konsumtempel

Das Architekturmuseum der TU München zeigt die erste Ausstellung über Shopping-Malls in aller Welt

"Hast Du eine gesehen, kennst Du alle“ ist ein gängiges Vorurteil, wenn es um die Architektur von Shopping-Malls geht. Ein großer Irrtum! Spätestens nach dem Besuch der derzeitigen Ausstellung in der Pinakothek der Moderne ist man eines Besseren belehrt. Anhand von 23 Beispielen aus aller Welt wird die Vielseitigkeit deutlich. Es handelt sich dabei um einen Bautyp, der sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Erst ein halbes Jahrhundert zuvor war der seinerzeit revolutionär neue Bautyp des Kaufhauses entstanden, zunächst in Paris mit Bon Marché, in Deutschland mit Wertheim in Berlin sowie Oberpollinger und Hertie in München. In den 1950er Jahren begannen dann die Shopping-Malls von den USA aus ihren Siegeszug um die Welt. Der Name Mall leitet sich übrigens ab von The Mall in London, der weltweit bekannten Luxus-Straße schlechthin, die ihren Namen wiederum von dem Spiel Pall-Mall hatte, das auf ihr Jahrhunderte lang gespielt worden war. Ursprünglich war man bei den neuen Shopping-Malls von der Idee ausgegangen, das Vorbild europäischer Stadtzentren mit ihren Ladenstraßen in die rapide wachsenden amerikanischen Vorstädte zu übertragen. In den letzten 65 Jahren entstand eine Fülle von solchen Malls, auch außerhalb der USA, entworfen nicht etwa von Projektleitern oder Investoren, sondern von zum Teil namhaften Architekten: von Victor Gruen, Jon Jerde bis Norman Foster.

Zwischen Taunus und Dubai

Der Bogen spannt sich vom Charme der 1950er und 60er Jahre, den etwa das 1956 eröffnete Southdale Center in Edina (Minnesota) oder das Main Taunus Zentrum in Sulzbach (1964) zeigen, bis hin zu den Mega-Konsumtempeln in Dubai oder Abu-Dhabi. Dazwischen so innovative Neuerungen wie das 1973 eröffnete „Schwabylon“ in der Münchner Leopoldstraße, eine der ersten „Freizeitstädte“ mit 100 Geschäften, Wohnungen, Büros, Gastronomie und der sensationellen orange-roten Fassadengestaltung. Obwohl das Projekt aus verschiedenen wirtschaftlichen Gründen ein Flop wurde und 1979 abgerissen werden musste, stand es dennoch am Anfang eines bis heute aktuellen Konzepts, das etwa die „Mall of the Emirates“, die 2005 in Dubai eröffnet wurde, aufgegriffen hat, wenngleich in weitaus größerem Maß und mit einem erheblich längeren finanziellen Atem des Investors. Mit dem „Aldar Central Market Abu Dhabi“ schuf Norman Foster 2011 ebenfalls einen multifunktionalen Luxus-Souk. Auch in diesen Mega-Anlagen wurde einer Fülle von Geschäften ein reiches Angebot zur Freizeitgestaltung an die Seite gestellt, das in der „Mall of the Emirates“ etwa in der 400 Meter langen Ski-Bahn inklusive Skihütte gipfelt. Bei einer Außentemperatur bis zu 50 Grad Celsius wird dieses Areal stets auf den Gefrierpunkt heruntergekühlt. Überhaupt ist die hohe Außentemperatur mit ein Grund für die hohe Akzeptanz von Malls in südlichen Ländern (bei uns sind es vor allem Regen und niedrige Temperaturen). Allein in Dubai gibt es rund 70 Shopping-Centers. Doch nicht alle Malls wurden zu Publikumsmagneten, vor allem, wenn sie wie die ersten auf der Grünen Wiese entstanden sind. In den USA florieren heute nur rund 80 Prozent. 60 Malls stehen derzeit unmittelbar vor der Schließung; Fotos wie das der „dead Mall“ in Ohio zeichnen ein trauriges Bild. Bisher war dem neuen Bautyp noch keine eigene Architektur-Ausstellung gewidmet. Mit World of Malls“ wird anhand von Fotos, gelegentlich auch einem Filmdokument sowie zweisprachigen Texttafeln das Phänomen dieser Konsumtempel erstmals anschaulich und äußerst informativ beleuchtet. (Cornelia Oelwein) Information: Bis 16. Oktober. Architekturmuseum, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München. Tgl. außer Mo. 10–18 Uhr, Do. 10–20 Uhr.
www.pinakothek.de

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