Kultur

„Torquere“ („foltern“) nennt Graubner diesen „Farbraumkörper“ mit seinen giftigen Farbtönen - hier ein Ausschnitt aus dem Gemälde von 1984. (Foto: NMN/Anette Kradisch)

16.09.2016

Partitur der Farben

Ausstellung in Nürnberg: Gotthard Graubners Malerei lässt sich nicht auf Abstraktion reduzieren

Mit 69 Werken von Gerhard Richter, A. R. Penck, Isa Genzken und Gotthard Graubner ist das Staatliche Museum für moderne Kunst Nürnberg in die erste Reihe – zumindest der deutschen – Museen mit moderner Kunst aufgerückt. Zu verdanken ist dies der großzügigen Dauerleihgabe der Berliner Privatsammlung Ingrid und Georg Böckmann, die mit diesem Werkkomplex aus ihrer Sammlung das Nürnberger Museum vor allem mit 29 Arbeiten von Gerhard Richter zu einem begehrten „Tauschmuseum“ für internationale Ausstellungen deutscher Gegenwartskunst machen.

Raffiniert gehängt

Jetzt präsentiert das Staatsmuseum ( nach Ausstellungen mit Arbeiten von Gerhard Richter und A. R. Penck) die 23 Arbeiten des Malers Gotthard Graubner (1930 bis 2013) aus der Sammlung Böckmann, ergänzt um sechs Bilder aus eigenen Beständen. Die Musikalität dieser Bilder empfindet man schon beim Betreten des großen Ausstellungssaals im Staatsmuseum: Es ist eine Partitur der Farben, die sich in den einzelnen Kabinetten nach und nach gleichsam aufblättert, dank der raffiniert von Kurator Thomas Heyden gehängten Bilder, die das Motiv Chroma, wie die Ausstellung betitelt ist, durchzuspielen, abzuwandeln und in immer neuen Anläufen aufzunehmen scheinen. Beginnend mit den frühen Bildern der 1960er Jahre, die noch wie klassische Gemälde flach an der Wand hängen. Dann aber die Entgrenzung, das Ausgreifen in den Raum, als der Künstler begann, die Leinwand aufzuschäumen und mit Synthetikwatte zu unterfüttern, die er dann in mehreren Schritten immer wieder mit Farbe tränkte. Die so entstehenden konturenlosen und changierenden Farbverläufe entmaterialisieren quasi das Bild, transferieren es – weit über die „Abstraktion“ hinaus – in eine fast spirituelle, manchmal sogar mystische Dimension, die die meditative Betrachtung geradezu provoziert. Die Bilder werden zum „Farbleib“, zu „Farbraumkörpern“, wie Graubner seine Arbeiten nennt. Es ist, als würde sich das abstrakte Malen zu einer nachgerade „Absurden Malerei“ verabsolutieren, in sphärische Wolken entheben, der dreidimensionale Bildträger in eine vierte Dimension entschwinden. Das Bild Weißer Torso (1968) steht exemplarisch dafür, aber auch das gelb grundierte Jeune jaune (1996) oder das kosmisch leuchtende, bedrohlich irisierende torquere, in dem das dem Titel zugrunde liegende Foltern und Quälen sich visualisiert und geradezu spürbar wird.

Sinnliche Algorithmik

Und dann drängt sich, jenseits aller solch aufgeladenen Metaphorik, doch angesichts der so systematisch durchgespielten Farbxperimente und wohl definierten Einzelschritte eine rational-wissenschaftliche Assoziation auf, nämlich die einer „algorithmischen Malerei“, die einer künstlerischen Ästhetik folgt, die in den Bildern Gotthard Graubners aufs Schönste sinnlich erfahrbar wird. (Fridrich J. Bröder) Information: Bis 15. Oktober. Neues Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design, Klarissenplatz, 90402 Nürnberg. Di. bis So. 10–18 Uhr, Do. bis 20 Uhr. www.nmn.de

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